20%-Beteiligung – und die Mitteilungspflicht des Aktionärs

Sobald einem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Aktien einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland gehört, hat es dies der Aktiengesellschaft gemäß § 20 AktG unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

20%-Beteiligung – und die Mitteilungspflicht des Aktionärs

Ein Unternehmen erfüllt seine Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 1, 4 AktG nur dann ordnungsgemäß mit der Folge, dass § 20 Abs. 7 AktG die Ausübung der Rechte aus den Aktien nicht ausschließt, wenn die Gesellschaft nicht korrigierend eingreifen muss, vielmehr die Beteiligung und deren Inhaber, wie sie ihr mitgeteilt worden sind, bekannt machen kann, ohne dass in der Öffentlichkeit Zweifel entstehen, welche Art Beteiligung gemeint und wem sie zuzurechnen ist[1].

Aus dem auf die Publikation nach § 20 Abs. 6 AktG ausgerichteten Zweck der Mitteilungspflichten nach § 20 AktG ergibt sich, dass die schriftliche Mitteilung nach Form und Inhalt darauf ausgerichtet sein muss, von dem Vorstand der Aktiengesellschaft als Mitteilung im Sinne von § 20 AktG erfasst zu werden.

Eine bereits vor dem Erwerb der Beteiligung erfolgte Mitteilung ist zur Erfüllung der Mitteilungspflicht grundsätzlich nicht geeignet.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall verlangte eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft von ihrer Aktionärin die Rückzahlung von Gewinnausschüttungen (Dividenden) wegen unterlassener Mitteilungen nach § 20 AktG. Anders als in dem Vorinstanzen das Landgericht Hamburg[2] und das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg[3] bejahte der Bundesgerichtshof einen grundsätzlichen Anspruch der AG:

Zutreffend hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg allerdings angenommen, dass sich die Rückforderung von Dividenden, die wegen des aus der Verletzung von Mitteilungspflichten folgenden temporären Rechtsverlusts gemäß § 20 Abs. 7 AktG zu Unrecht gewährt wurden, nach § 62 Abs. 1 AktG richtet, da sich der Anwendungsbereich des § 62 AktG auf alle Leistungen erstreckt, die entgegen den Vorschriften des Aktiengesetzes erlangt wurden[4]. Ein möglicher Anspruch aus § 812 BGB wird durch die speziellere aktienrechtliche Rückgewährregelung verdrängt[5].

Von Rechtsfehlern beeinflusst ist aber die Annahme des Oberlandesgerichts Hamburg, auf eine Verletzung eigener Mitteilungspflichten der Aktionärin könne ein Rückzahlungsanspruch aus § 62 Abs. 1, § 20 Abs. 7 AktG schon deshalb nicht gestützt werden, weil die Aktionärin im Hinblick auf die, jeweils im März des Folgejahres beschlossenen, Dividendenauszahlungen für die Jahre 2002 bis 2004 ihrer Mitteilungspflicht durch die Vorlage des Kaufvertrags vom 16.12 2002 oder gar des Kaufvertragsentwurfs ausreichend nachgekommen sei.

Die Aktionärin war, wovon das OLG Hamburg noch zutreffend ausgeht, als Unternehmen im Sinne des § 20 AktG zur unverzüglichen schriftlichen Mitteilung (jedenfalls) einer Mehrheitsbeteiligung gemäß § 20 Abs. 4 AktG verpflichtet, da sie zum 31.12 2002 sämtliche Aktien der Gesellschaft erworben hatte. Der Mitteilungspflicht unterliegt auch ein Unternehmen, das, wie im Streitfall die Aktionärin, durch den Erwerb der Aktien Alleinaktionär geworden ist[6]. Ferner oblag der Aktionärin eine eigene Mitteilungspflicht auch dann, wenn sie von anderen, ihrerseits mitteilungspflichtigen Unternehmen abhängig (§ 17 Abs. 1 AktG) war[7].

Die Verletzung einer nach § 20 AktG bestehenden Mitteilungspflicht hat u.a. zur Folge, dass für die Zeit, für die das Unternehmen die Mitteilungspflicht nicht erfüllt, kein Gewinnbezugsrecht besteht (§ 20 Abs. 7 Satz 1 AktG), wobei dies nicht gilt, wenn die Mitteilung nicht vorsätzlich unterlassen wurde und nachgeholt worden ist (§ 20 Abs. 7 Satz 2 AktG). Gleichwohl gewährte Dividenden sind zurückzugewähren, sofern der betreffende Aktionär wusste oder infolge von Fahrlässigkeit nicht wusste, dass er zum Bezuge nicht berechtigt war (§ 62 Abs. 1 AktG).

Auf der Grundlage der Feststellungen des Oberlandesgerichts Hamburg kann eine Erfüllung der Mitteilungspflicht der Aktionärin nicht angenommen werden. Das OLG Hamburg hat die Erfüllung der Mitteilungspflicht aus § 20 Abs. 4 AktG allein anhand des Kaufvertrags bzw. Kaufvertragsentwurfs geprüft. Mit einem möglichen Übersendungsschreiben der Aktionärin hat es sich nicht befasst und hierzu keine Feststellungen getroffen. Die schlichte Übermittlung des Kaufvertrags am oder um den 16.12 2002 oder eines bloßen Vertragsentwurfs genügte aus Rechtsgründen nicht zur Erfüllung der Mitteilungspflicht.

Das OLG Hamburg hat es zumindest für möglich gehalten, dass der Gesellschaft lediglich der Entwurf des Kauf- und Abtretungsvertrags zwischen der Aktionärin und HTS übermittelt wurde. Damit wäre den Anforderungen des § 20 Abs. 4 AktG nicht entsprochen.

Die Vorschriften über die Mitteilung und Veröffentlichung von qualifizierten Beteiligungen von Unternehmens-Aktionären sind zwingendes Recht; sie dienen dem Zweck, Aktionäre, Gläubiger und die Öffentlichkeit über bestehende oder entstehende Konzernbildungen zu informieren und zugleich Rechtssicherheit über die Beteiligungsquoten zu schaffen[8]. Auf die Einhaltung der Mitteilungspflichten kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn die meldepflichtige Beteiligung der Gesellschaft schon bekannt ist. Denn erst wenn die Beteiligung schriftlich mitgeteilt worden ist, ist die Gesellschaft gemäß § 20 Abs. 6 AktG verpflichtet, sie in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen[9]. Der Gesellschafter genügt seiner Mitteilungspflicht nur, wenn die Gesellschaft nicht korrigierend eingreifen muss, vielmehr die Beteiligung und deren Inhaber, wie sie ihr mitgeteilt worden sind, bekannt machen kann, ohne dass in der Öffentlichkeit Zweifel entstehen, welche Art Beteiligung gemeint ist und wem sie zuzurechnen ist[10]. Die Mitteilung eines Dritten, der nicht erkennbar im Auftrag des Mitteilungspflichtigen handelt, genügt den gesetzlichen Voraussetzungen an eine Mitteilung nach § 20 AktG grundsätzlich nicht[11].

Aus dem auf die Publikation nach § 20 Abs. 6 AktG ausgerichteten Zweck der Mitteilungspflichten nach § 20 AktG ergibt sich des Weiteren, dass die schriftliche Mitteilung nach Form und Inhalt darauf ausgerichtet sein muss, von dem Vorstand der Aktiengesellschaft als Mitteilung im Sinne von § 20 AktG erfasst zu werden[12]. Sie muss außerdem erkennen lassen, auf welchen Mitteilungstatbestand sie sich bezieht, wozu ein zutreffender Hinweis auf die betreffenden Absätze des § 20 AktG ausreicht[13].

Wurde im Streitfall lediglich der Kaufvertragsentwurf übermittelt, so lag hierin schon nicht die Mitteilung einer der Aktionärin gehörenden Beteiligung. Denn der nach dem Entwurf vorgesehene Aktienerwerb hing noch von der Zustimmung der Hauptversammlung der Gesellschaft und darüber hinaus von dem endgültigen Vertragsabschluss ab, der sich aus dem bloßen Entwurf naturgemäß nicht ergeben konnte. Der Umstand, dass die Gesellschaft den Erwerbsvorgang weiter beobachten und dessen erfolgreichen Abschluss selbst feststellen konnte, ändert daran nichts. Denn Tatsachen, die die Gesellschaft zwar selbst feststellen, der Mitteilung aber nicht entnehmen kann, sind bei der Prüfung, ob die Mitteilung den gesetzlichen Anforderungen entspricht, nicht zu berücksichtigen[14].

Auch die Übermittlung des unterschriebenen Kauf- und Abtretungsvertrags vor dem Ende des Jahres 2002 würde als solche – ohne Einbeziehung eines etwaigen Übersendungsschreibens, zu dem das OLG Hamburg keine Feststellungen getroffen hat – zur Erfüllung der Mitteilungspflicht nicht ausreichen.

Zum einen ergäbe sich aus einem solchen Vorgang keine schriftliche (§ 126 BGB) Mitteilung gemäß § 20 Abs. 4 AktG, da die Vertragsurkunde keine Mitteilung der Aktionärin an die Gesellschaft ausweist, und der Umstand, dass die Urkunde (möglicherweise) von der Aktionärin übermittelt wurde, keine schriftliche Verkörperung gefunden hat.

Außerdem erfolgte die Übertragung der Aktien gemäß Nr. 2 des Vertrags – erst – mit Wirkung zum 31.12 2002 und damit zeitlich nach der – unterstellten – Übersendung der Vertragsurkunde an die Gesellschaft. Auch aus diesem Grund entspricht die Übersendung nicht den gesetzlichen Anforderungen.

§ 20 Abs. 4 AktG schreibt eine Mitteilungspflicht des Gesellschafters vor, „sobald“ diesem eine Mehrheitsbeteiligung gehört. Damit ist der Gesellschafter zu einer Mitteilung verpflichtet, die zeitlich mit dem Erwerb der Anteile zusammenfällt oder diesem nachfolgt. Eine bereits vor dem Erwerb erfolgte Mitteilung ist mithin zur Erfüllung der Mitteilungspflicht grundsätzlich nicht geeignet.

Dieses Verständnis der Vorschrift entspricht auch ihrem Zweck. Denn wenn der ordnungsgemäße Inhalt der gemäß § 20 Abs. 6 AktG von der Gesellschaft vorzunehmenden Bekanntmachung über das „Bestehen“ einer Beteiligung davon abhinge, ob der zuvor mitgeteilte künftige Anteilserwerb tatsächlich eingetreten ist, würde der Gesellschaft eine Überwachungspflicht auferlegt, die durch die gesetzliche Ausgestaltung der Mitteilungspflicht gerade vermieden werden soll. Schon um die im Interesse der Rechtssicherheit gebotene klare und eindeutige Handhabung der nach § 20 AktG bestehenden Mitteilungspflichten nicht zu beeinträchtigen, ist im Falle eines erst zukünftigen Erwerbs auch nicht danach zu differenzieren, welcher Zeitraum im Einzelfall noch abzuwarten bleibt und mit welcher Wahrscheinlichkeit die Vollendung des Erwerbsvorgangs zu erwarten ist.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

Dass die Aktionärin alleinige Aktionärin der Gesellschaft gewesen ist, hatte entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt nicht zur Folge, dass das Gewinnbezugsrecht der Aktionärin trotz einer Verletzung der auf ihre eigene Beteiligung bezogenen Mitteilungspflichten fortbestand.

In Teilen des Schrifttums wird allerdings die Auffassung vertreten, bei einer Einpersonen-Aktiengesellschaft entfalle die Sanktion des § 20 Abs. 7 AktG, wenn der Vorstand der Aktiengesellschaft die mitteilungsbedürftige Beteiligung – aus eigener Initiative aufgrund anderweitiger Kenntnis[15] – bekannt mache[16]. Noch weitergehend wird teilweise angenommen, dass die (freiwillige) Bekanntmachung einer mitteilungsbedürftigen Beteiligung die Sanktionen gemäß § 20 Abs. 7 AktG stets, nicht nur bei einer Einpersonen-Aktiengesellschaft, entfallen lasse[17].

Ob dieser; vom Gesetzeswortlaut abweichenden, Auffassung – jedenfalls für die Einpersonen-Aktiengesellschaft – zu folgen ist, muss im vorliegenden Fall nicht entschieden werden, weil das OLG Hamburg eine ordnungsgemäße Bekanntmachung der mitteilungspflichtigen Beteiligung der Aktionärin gemäß § 20 Abs. 6 AktG nicht festgestellt hat.

Anders als es das Landgericht angenommen hat, scheidet ein auf die Verletzung eigener Mitteilungspflichten der Aktionärin gestützter Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft auch nicht deshalb aus, weil mangelnde Gutgläubigkeit der Aktionärin bei Empfang der Dividendenzahlungen nicht feststellbar sei.

Der Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft setzt voraus, dass die Aktionärin beim Bezug der Gewinnanteile wusste oder infolge von Fahrlässigkeit nicht wusste, dass sie zum Bezuge nicht berechtigt war (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AktG). Dem Aktionär ist fahrlässige Unkenntnis seiner mangelnden Bezugsberechtigung anzulasten, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, wobei sich die Anforderungen – wie das OLG Hamburg in anderem Zusammenhang zutreffend erkennt – typischerweise danach unterscheiden, ob es sich um einen Kleinaktionär oder einen geschäftserfahrenen Großaktionär handelt[18]. Die Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Aktionärs liegt bei der Gesellschaft[19].

Soweit es um die eigenen Mitteilungspflichten der Aktionärin geht, ist mangels anderweitiger Feststellungen davon auszugehen, dass der Aktionärin die tatsächlichen Vorgänge, die für die Beurteilung einer möglichen Verletzung der Mitteilungspflicht relevant sind, beim Bezug ihrer Dividenden bekannt waren oder bekannt sein mussten. Wurde die Mitteilungspflicht objektiv verletzt, könnte sich eine auf den Bezug der Dividenden bezogene Gutgläubigkeit der Aktionärin im Sinne von § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG nur aus einer unverschuldet unzutreffenden Beurteilung der rechtlichen Voraussetzungen der nach § 20 AktG bestehenden Mitteilungspflichten und ihrer Erfüllung ergeben haben. Daneben hat die weitere Frage, ob die in § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG angeordneten Sanktionen die schuldhafte Verletzung einer Mitteilungspflicht voraussetzen[20], nach den Umständen des Streitfalls keine eigenständige Bedeutung.

Die Annahme eines entschuldbaren Rechtsirrtums der Aktionärin wird von den bisherigen Feststellungen nicht getragen. Der Umstand, dass die Gesellschaft die Dividenden ausbezahlt hat, enthob die Aktionärin nicht einer eigenen Prüfung ihrer, von der ordnungsgemäßen Erfüllung der Mitteilungspflichten abhängigen, Bezugsberechtigung.

Schließlich kann entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auf der Grundlage des im Revisionsverfahren zu unterstellenden Sachverhalts nicht angenommen werden, dass das Dividendenbezugsrecht der Aktionärin (jedenfalls) gemäß § 20 Abs. 7 Satz 2 AktG bestanden habe. Nach dieser Vorschrift erfasst der wegen Nichterfüllung einer Mitteilungspflicht eintretende temporäre Rechtsverlust nicht das Dividendenbezugsrecht, wenn die Mitteilung nicht vorsätzlich unterlassen wurde und nachgeholt worden ist. Von der Erfüllung dieser Voraussetzungen kann im Revisionsverfahren jedoch nicht ausgegangen werden.

Unabhängig von der Frage, ob dem von der Revisionserwiderung in Bezug genommenen Schreiben der Aktionärin vom 07.10.2005 die Nachholung einer ordnungsgemäßen Mitteilung entnommen werden kann[21], kann auf der Grundlage der vom OLG Hamburg bisher getroffenen Feststellungen jedenfalls nicht angenommen werden, dass die gebotene Mitteilung bis zu dem genannten Schreiben nicht vorsätzlich unterblieben ist.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Mitteilung ohne Vorsatz unterblieben ist, trägt das mitteilungspflichtige Unternehmen[22].

Bedingter Vorsatz genügt[23]. Ein möglicher Rechtsirrtum schließt Vorsatz aus, da für die Anwendung des § 20 AktG der zivilrechtliche Vorsatzbegriff gilt[24].

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ergibt sich das Fehlen eines (bedingten) Vorsatzes der Aktionärin nicht schon zwingend aus den vom OLG Hamburg festgestellten äußeren Abläufen. Die Aktionärin muss nicht mit einer bestimmten Absicht gehandelt haben; der ihr obliegende Entlastungsbeweis wäre etwa auch dann nicht geführt, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Aktionärin eine Verletzung von Mitteilungspflichten billigend in Kauf nahm, weil sie als alleinige Aktionärin den tatsächlichen Eintritt nachteiliger Folgen nicht ernsthaft in Betracht zog.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Mitteilung unverzüglich nachgeholt werden muss[25]. Auch dies ist von dem mitteilungspflichtigen Unternehmen darzulegen und zu beweisen[23]. Insoweit ist darauf abzustellen, wann dem Aktionär bewusst geworden ist, dass er die Mitteilungspflicht verletzt hat. Dementsprechend hat er zu seiner Entlastung seine Gutgläubigkeit nicht nur im Anschluss an den meldepflichtigen Beteiligungserwerb darzulegen, sondern auch für den nachfolgenden Zeitraum bis zur Nachholung der Mitteilung. Auch hierzu enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen.

Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist, an das OLG Hamburg zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO), damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Für das weitere Verfahren weist der Bundesgerichtshof auf folgendes hin:

Das OLG Hamburg wird sich ggf. erneut mit einer möglichen Verletzung von Mitteilungspflichten durch Unternehmen zu befassen haben, die über die Aktionärin mittelbar an der Gesellschaft beteiligt waren. Verletzt ein an der Aktiengesellschaft nur mittelbar beteiligtes Unternehmen eine – auch – von ihm nach § 20 Abs. 1 oder Abs. 4 AktG zu erfüllende Mitteilungspflicht[26], führt dies gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG zum zeitweiligen Rechtsverlust des abhängigen, an der Aktiengesellschaft unmittelbar beteiligten Unternehmens[27] und erfasst auch dessen Gewinnbezugsrecht mit der möglichen Folge einer Rückzahlungsverpflichtung aus § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG.

Das OLG Hamburg hat angenommen, dass mittelbar beteiligte Unternehmen ihre Mitteilungspflichten nicht ordnungsgemäß und vollständig erfüllt hätten, der gegen die Aktionärin geltend gemachte Rückzahlungsanspruch aber gleichwohl nicht bestehe, weil sie zu den jeweiligen Zeitpunkten des Dividendenbezugs gutgläubig gewesen sei (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AktG). Diese Einschätzung bedarf, sofern es hierauf noch ankommen sollte, erneuter Überprüfung.

Entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts Hamburg liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung von Mitteilungspflichten mittelbar beteiligter Unternehmen nicht bei der Aktionärin. Die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit schon deshalb die Gesellschaft, weil diese sich auf die Verletzung der Mitteilungspflicht als eine Voraussetzung des von ihr geltend gemachten Rückerstattungsanspruchs aus § 62 Abs. 1 AktG beruft[28]. Der erneuten Würdigung des Oberlandesgerichts Hamburg bleibt überlassen, ob das diesbezügliche Vorbringen der Gesellschaft von der Aktionärin in erheblicher Weise bestritten wurde und ob hierüber ggf. Beweis zu erheben ist.

Das für den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch erforderliche Verschulden der Aktionärin kann mit der vom OLG Hamburg gegebenen Begründung nicht verneint werden. Das OLG Hamburg ist zwar im Ansatz von einem zutreffenden Fahrlässigkeitsbegriff ausgegangen, hat auf dieser Grundlage aber eine unzureichende Würdigung vorgenommen, bei der es in unzulässiger Weise auf der Gesellschaft anzulastende Versäumnisse abgestellt hat.

Das OLG Hamburg hat angenommen, dass die Aktionärin „als Bankhaus“ die Mitteilungspflichten nach § 20 AktG gekannt und auch gewusst haben müsse, dass an ihr beteiligte Gesellschaften deren mittelbare Beteiligungen gegenüber der Gesellschaft hätten anzeigen müssen. Die vom OLG Hamburg angenommene Gutgläubigkeit der Aktionärin kann vor dem Hintergrund dieser Feststellungen nur darin bestanden haben, dass die Aktionärin die – unterstellte – Tatsache der Verletzung der Mitteilungspflicht durch die an ihr beteiligten Gesellschaften nicht kannte und auch nicht kennen musste, weil sie davon ausging und auch davon ausgehen durfte, dass die an ihr beteiligten Gesellschaften ihre Mitteilungspflicht erfüllt hätten. Hierzu enthält das Berufungsurteil indes keine ausreichenden Feststellungen. Stattdessen hat das OLG Hamburg maßgebend darauf abgestellt, dass die Gesellschaft ihrerseits die Aktionärin nicht veranlasst habe, für die entsprechenden Mitteilungen der Unternehmen zu sorgen, und gleichwohl Dividenden ausbezahlt habe. Diese Erwägung ist jedoch nicht tragfähig, denn mögliche Versäumnisse der Gesellschaft, die im Verhältnis zu der Aktionärin für die Erfüllung von deren Mitteilungspflichten nicht verantwortlich ist, sind nicht geeignet, das Verschulden der Aktionärin auszuschließen.

Das OLG Hamburg wird ggf. noch zu erwägen haben, ob die Aktionärin im Hinblick auf das Mitteilungsverhalten mittelbar beteiligter Unternehmen – insbesondere bei fehlenden oder unzureichenden Bekanntmachungen (§ 20 Abs. 6 AktG) über derartige Beteiligungen – besonderen Erkundigungspflichten unterliegt, oder ob ihr, noch weitergehend, bei der Anwendung von § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG die Kenntnisse und die Kenntnismöglichkeiten der über die Aktionärin mittelbar an der Gesellschaft beteiligten Unternehmen zuzurechnen sind.

Dabei geht es um die Vermeidung von Wertungswidersprüchen, die sich bei der Anwendung von § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG i.V.m. § 20 Abs. 7 AktG sonst ergeben können. Gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG wird eine Verletzung der Mitteilungspflicht durch ein beherrschendes Unternehmen dadurch sanktioniert, dass aus den vom abhängigen Unternehmen gehaltenen Aktien keine Rechte bestehen[29]. Der Eintritt dieser (mittelbaren) Sanktion beruht allein auf dem Fehlverhalten des beherrschenden Unternehmens und ist unabhängig von dem Verhalten des – notwendigerweise (unmittelbar) mitbetroffenen – abhängigen Unternehmens, das seinen Mitteilungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen sein mag. Mit diesem Regelungskonzept wäre es nur schwer zu vereinbaren, wenn dem Anspruch auf Rückzahlung unberechtigt ausgeschütteter Dividenden unabhängig vom Kenntnisstand des beherrschenden Unternehmens die Gutgläubigkeit des abhängigen Unternehmens entgegengehalten werden könnte, was zur Folge hätte, dass dem beherrschenden Unternehmen die mittelbaren Vorteile der Gewinnausschüttung auch dann erhalten blieben, wenn es den eigenen Verstoß gegen die Mitteilungspflicht und den daraus folgenden temporären Wegfall des Gewinnbezugsrechts kannte oder kennen musste.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. April 2016 – II ZR 268/14

  1. Bestätigung von BGH, Urteil vom 22.04.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203[]
  2. LG Hamburg, Urteil vom 15.02.2013 – 402 HKO 24/12[]
  3. OLG Hamburg, Urteil vom 01.08.2014 – 11 U 79/13[]
  4. vgl. MünchKomm-AktG/Bayer, 4. Aufl., § 20 Rn. 76; Petersen in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 20 Rn. 46; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 62 Rn. 8; jew. mwN[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 179/12, BGHZ 196, 312 Rn. 15 zu § 57 AktG; MünchKomm-AktG/Bayer, 4. Aufl., § 62 Rn. 43; KK-AktG/Koppensteiner, 3. Aufl., § 20 Rn. 82; KK-AktG/Drygala, 3. Aufl., § 62 Rn. 74; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 62 Rn. 2; jew. mwN; a.A. – für die Anwendbarkeit von § 812 BGB – Maier-Reimer in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 20 AktG Rn. 17[]
  6. MünchKomm-AktG/Bayer, 4. Aufl., § 20 Rn. 10; KK-AktG/Koppensteiner, 3. Aufl., § 20 Rn. 11; Veil in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 20 Rn. 14; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl., § 20 AktG Rn. 30a; MünchHdbGesR IV/Krieger, 4. Aufl., § 69 Rn. 125; s.a. Hägele, NZG 2000, 726, 729; differenzierend im Hinblick auf § 42 AktG Bachmann, NZG 2001, 961, 964[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 24.07.2000 – II ZR 168/99, ZIP 2000, 1723, 1724 mwN[]
  8. BGH, Urteil vom 22.04.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203, 215; Urteil vom 24.04.2006 – II ZR 30/05, BGHZ 167, 204 Rn.13[]
  9. BGH, Urteil vom 22.04.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203, 213; Urteil vom 24.04.2006 – II ZR 30/05, BGHZ 167, 204 Rn. 13[]
  10. BGH, Urteil vom 22.04.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203, 215[]
  11. BGH, Urteil vom 24.07.2000 – II ZR 168/99, ZIP 2000, 1723, 1724[]
  12. vgl. Burgard, WM 2012, 1937, 1939 f.; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 20 Rn. 8 a.E.[]
  13. BGH, Urteil vom 22.04.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203, 215; Veil in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 20 Rn. 8; Petersen in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 20 Rn. 25; Münch KommAktG/Bayer, 4. Aufl., § 20 Rn. 32[]
  14. vgl. BGH, Urteil vom 24.07.2000 – II ZR 168/99, ZIP 2000, 1723, 1724[]
  15. vgl. dazu MünchHdb-GesR IV/Krieger, 4. Aufl., § 69 Rn. 132 mwN[]
  16. MünchKomm-AktG/Bayer, 4. Aufl., § 20 Rn. 50; Leo, AG 1965, 352, 353 f.; siehe auch Veil in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 20 Rn. 37; a.A. Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 20 Rn. 87[]
  17. KK-AktG/Koppensteiner, 3. Aufl., § 20 Rn. 45; Fatemi, DB 2013, 2195, 2198; a.A. MünchKomm-AktG/Bayer, 4. Aufl., § 20 Rn. 11; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl., § 20 AktG Rn. 30a, 37; MünchHdbGesR IV/Krieger, 4. Aufl., § 69 Rn. 130; Quack, Festschrift Semler, 1993, 581, 587[]
  18. Fleischer in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 62 Rn. 24; Drygala in KK-AktG, 3. Aufl., § 62 Rn. 83; Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 62 Rn. 79; MünchKomm-AktG/Bayer, 4. Aufl., § 62 Rn. 74; Cahn in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 62 Rn. 27; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 62 Rn. 13[]
  19. Fleischer in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 62 Rn. 25; Drygala in KK-AktG, 3. Aufl., § 62 Rn. 86; Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 62 Rn. 97; MünchKomm-AktG/Bayer, 4. Aufl., § 62 Rn. 76; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 62 Rn. 14[]
  20. vgl. dazu nur Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 20 Rn. 11 mwN[]
  21. vgl. in diesem Zusammenhang einerseits Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 20 Rn. 70; KK-AktG/Koppensteiner, 3. Auflage, § 20 Rn. 25; MünchKomm-AktG/Bayer, 4. Auflage, § 20 Rn. 29 und andererseits MünchHdbGesR IV/Krieger, 4. Auflage, § 69 Rn. 129; Fatemi, DB 2013, 2195, 2199[]
  22. Münch KommAktG/Bayer, 4. Aufl., § 20 Rn. 81; MünchHdbGesR IV/Krieger, 4. Aufl., § 69 Rn. 141; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 20 Rn. 13; Petersen in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 20 Rn. 55; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl., § 20 AktG Rn. 54[]
  23. MünchKomm-AktG/Bayer, 4. Aufl., § 20 Rn. 83[][]
  24. Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl., § 20 Rn. 55 mwN; Petersen in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 20 Rn. 38; Maier-Reimer in Henssler/Strohn, 3. Aufl., § 20 AktG Rn. 15[]
  25. MünchKomm-AktG/Bayer, 4. Aufl., § 20 Rn. 82; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl., § 20 AktG Rn. 57; Petersen in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 20 Rn. 53; MünchHdbGesR IV/Krieger, 4. Aufl., § 69 Rn. 142; a.A. Maier-Reimer in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 20 AktG Rn. 15[]
  26. vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24.07.2000 – II ZR 168/99, ZIP 2000, 1723, 1724 mwN[]
  27. Münch-KommAktG/Bayer, 4. Aufl., § 20 Rn. 48; KK-AktG/Koppensteiner, 3. Aufl., § 20 Rn. 61; Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 20 Rn. 24[]
  28. vgl. Petersen in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 20 Rn. 55[]
  29. vgl. Veil in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 20 Rn. 37[]