Wird Patienten von einem Ohrenarzt ein Formular vorgelegt, in dem sie erklären, eine Hörgeräteversorgung über den verkürzten Versorgungsweg auf eigene Kosten durch den behandelnden Arzt und ein bestimmtes Hörgeräteakustikunternehmen durchführen lassen zu wollen, wird ihnen ein bestimmter Leistungserbringer empfohlen.

Bei der Hörgeräteversorgung gibt es seit längerer Zeit zwei unterschiedliche Versorgungswege. Im klassischen Versorgungsweg sucht der Patient nach der Verordnung einer Hörhilfe durch den HNO-Arzt einen Hörgeräteakustiker auf, der die erforderlichen audiometrischen Messungen vornimmt, gegebenenfalls einen Ohrabdruck anfertigt und dem Patienten ein Hörgerätesystem vorschlägt, das er für den Patienten anpasst. Sodann sucht der Patient den HNO-Arzt erneut auf, der überprüft, ob mit dem Hörgerät eine medizinisch ausreichende Versorgung erreicht wird. Ist das der Fall, kann der Hörgeräteakustiker aufgrund eines Testats des HNO-Arztes den Kassenanteil der Hörgeräteversorgung abrechnen. Im auch vom Arzt angebotenen „verkürzten Versorgungsweg“ erfolgen die audiometrischen Messungen und gegebenenfalls die Abnahme der Ohrabdrücke durch den HNO-Arzt oder dessen Mitarbeiter. Die Ergebnisse nebst ohrenärztlicher Verordnung werden vom HNO-Arzt an einen Hörgeräteakustiker weitergeleitet, der das vom Patienten gewählte Hörgerätesystem anpasst und an den HNO-Arzt verschickt. Der Patient erhält in diesem Fall sein Hörsystem vom HNO-Arzt oder dessen medizinischen Fachangestellten.
Nach dem 2011 geltenden § 34 Abs. 5 BW BOÄ aF war es Ärztinnen und Ärzten nicht gestattet, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen. Die entsprechende Bestimmung in der Neufassung der Berufsordnung vom 10.12 2012 in § 31 Abs. 2 BW BOÄ lautet: „Sie (gemeint sind Ärztinnen und Ärzte) dürfen ihren Patientinnen und Patienten nicht ohne hinreichenden Grund bestimmte Ärztinnen oder Ärzte, Apotheken, Heil- und Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen empfehlen oder an diese verweisen.“
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs umfasste schon der Begriff der „Verweisung“ in § 34 Abs. 5 BW BOÄ aF auch Empfehlungen[1].
Die Vorschriften des § 34 Abs. 5 BW BOÄ aF und des § 31 Abs. 2 BW BOÄ n.F. sind Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. Diese Vorschrift ist auch nach Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken weiterhin auf berufsrechtliche Bestimmungen anzuwenden, die das Marktverhalten in unionsrechtskonformer Weise regeln[2].
Die Bestimmungen der § 34 Abs. 5 BW BOÄ aF und § 31 Abs. 2 BW BOÄ sollen die unbeeinflusste Wahlfreiheit des Patienten in Bezug auf Apotheken, Geschäfte und Anbieter gesundheitlicher Leistungen gewährleisten. Diese Wahlfreiheit ist schon dann beeinträchtigt, wenn der Arzt dem Patienten von sich aus einen bestimmten Erbringer gesundheitlicher Leistungen nahelegt oder auch nur empfiehlt. Anders verhält es sich dagegen, wenn der Patient den Arzt um eine Empfehlung bittet[3]. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zudem auch ohne Nachfrage des Patienten eine neutrale Information über die verfügbaren Versorgungswege und ihre allgemeinen Vor- und Nachteile zulässig, sofern dabei kein bestimmter Leistungserbringer empfohlen wird. Der behandelnde HNO-Arzt kann dem Patienten dabei die Versorgungsmöglichkeiten darlegen, die konkret bei ihm für die Hörgeräteversorgung bestehen. Da ein Arzt im verkürzten Versorgungsweg in aller Regel nur mit einem bestimmten Hörgeräteakustiker zusammenarbeiten wird, ist es auch nicht zu beanstanden, wenn er in der neutralen Information über die bei ihm verfügbaren Versorgungsmöglichkeiten das Hörgeräteakustikunternehmen, mit dem er im verkürzten Versorgungsweg zusammenarbeitet, konkret benennt[4].
Das Aufzeigen verschiedener Versorgungswege beinhaltet für sich allein keine Empfehlung eines bestimmten Leistungserbringers. Die neutrale Information über bestehende Versorgungsmöglichkeiten darf und in Abhängigkeit von den berufsrechtlichen Aufklärungspflichten muss der Arzt gegebenenfalls unabhängig davon erteilen, ob er zuvor von dem Patienten darum gebeten worden ist. Für die Zulässigkeit dieser Information kommt es also nicht auf die in den Vorinstanzen zwischen den Parteien streitige Frage an, ob der HNO-Arzt über die Versorgungsmöglichkeiten von sich aus oder nur auf Wunsch der Patienten informiert hat. Für dieses Ergebnis spricht auch der Umstand, dass die Möglichkeit einer Einbeziehung der Ärzte in die Versorgung mit Hilfsmitteln in § 128 Abs. 4 SGB V im Grundsatz gesetzlich anerkannt ist.
Ein Hinweis, der Patient könne auch im verkürzten Versorgungsweg zwischen verschiedenen Hörgeräteakustikern wählen, ist nicht nach § 34 Abs. 5 BW BOÄ aF und § 31 Abs. 2 BW BOÄ geboten. Der Patient entscheidet sich für die Behandlung bei einem bestimmten Arzt. Bei der Beschreibung der für diesen Patienten bestehenden Versorgungsvarianten kann es in diesem Stadium nur noch darum gehen, welche Möglichkeiten konkret bei der Behandlung durch diesen Arzt bestehen. Regelmäßig wird der Arzt aber nur mit einem bestimmten Hörgeräteakustikunternehmen im verkürzten Versorgungsweg zusammenarbeiten, so dass er diesen konkreten Leistungserbringer bei der neutralen Darstellung der Versorgungsmöglichkeiten auch benennen darf. Arbeitet der HNO-Arzt im Einzelfall mit verschiedenen Hörgeräteakustikern im verkürzten Versorgungsweg zusammen, hat er allerdings alle diese Leistungserbringer anzugeben oder auf die Angabe von Hörgeräteakustikunternehmen zu verzichten.
Das dem Patienten von einer Mitarbeiterin des Ohrenarztes vorge- legte Formular mit der Bezeichnung „Wichtige Patienten-Information zur Wahlfreiheit des Leistungserbringers“ stellte keine Empfehlung eines Erbringers gesundheitlicher Leistungen dar. Durch dieses Informationsblatt wird der Patient darüber aufgeklärt, dass er die Hörgeräteversorgung entweder von einem örtlichen Hörgeräteakustiker seiner Wahl oder im verkürzten Versorgungsweg in der Praxis des Ohrenarztes durchführen lassen kann.
Die Empfehlung eines bestimmten Leistungserbringers ergibt sich auch nicht daraus, dass in der Patienten-Information Vorteile des verkürzten Versorgungswegs herausgestellt werden und der HNO-Arzt insoweit allein mit dem Unternehmen m. zusammenarbeitet. Über tatsächlich bestehende Vor- und Nachteile bestimmter Versorgungsmöglichkeiten kann der Arzt den Patienten in sachlicher Form unterrichten. Allerdings findet sich die Angabe zur Verfügbarkeit verschiedener Versorgungsmöglichkeiten mit modernsten Markengeräten in der Patienten-Information nur bei der Beschreibung des verkürzten Versorgungswegs. Diese Angabe wird von dem durchschnittlich informierten Patienten aber nicht dahingehend verstanden, dass bestimmte, besonders hochwertige Markengeräte allein beim Arzt im verkürzten Versorgungsweg und nicht bei den örtlichen Hörgeräteakustikern angeboten werden. Vielmehr wird der Patient dieser Aussage in dem Informationsblatt entnehmen, dass die im verkürzten Versorgungsweg bezogenen Hörgeräte qualitativ den von örtlichen Hörgeräteakustikern angebotenen Geräten entsprechen.
Ein Schreiben des Ohrenarztes an den Patienten enthält ebenfalls keine berufsrechtlich unzulässige Empfehlung, wenn Inhalt dieses Schreibens lediglich ein Bericht über Diagnose und Therapiemöglichkeiten hinsichtlich der Hörbeschwerden und nasalen Symptome des Patienten ist und in diesem Zusammenhang auf der zweiten Seite die Versorgungsmöglichkeiten verkürzter Versorgungsweg und Hörgeräteakustiker nach Wahl des Patienten vorgestellt werden. Eine berufsrechtlich unzulässige Empfehlung eines bestimmten Leistungserbringers liegt darin nicht.
Allerdings konnte der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall nicht ausschließen, dass der HNO-Arzt einem Patienten eine Versorgung bei einem bestimmten Hörgeräteakustikunternehmen auf dem verkürzten Versorgungsweg empfohlen hat, ohne zuvor darum gebeten worden zu sein. Dem Patienten hat der HNO-Arzt ein Formular vorgelegt, das außer der berufsrechtlich unbedenklichen „Wichtigen Patienten-Information zur Wahlfreiheit des Leistungserbringers“ auch eine „Erklärung über die Wahlentscheidung zur privatärztlichen Hörgeräteversorgung“ enthielt. Darin erklärte der Patient den Wunsch, seine Hörgeräteversorgung über den verkürzten Versorgungsweg auf eigene Kosten durch den behandelnden Arzt und das Unternehmen m. durchführen zu lassen. Wird dem Patienten ein Formular mit einer solchen Erklärung vorgelegt, wird ihm der verkürzte Versorgungsweg unter Mitwirkung eines bestimmten Leistungserbringers, des Unternehmens m. , empfohlen. Anders als das Berufungsgericht meint, liegt darin nicht nur ein Hinweis auf den verkürzten Versorgungsweg, der unabhängig von einem entsprechenden Wunsch des Patienten zulässig wäre.
Dasselbe gilt für die „Anlage zur ohrenärztlichen Privatverordnung einer Hörhilfe (Patientenerklärung/Bestellung)“, in der es gleich nach einem Hinweis auf die Möglichkeit einer freien Wahl unter allen Leistungserbringern heißt: „Ich habe mich entschieden, die Versorgung privatärztlich auf dem verkürzten Versorgungsweg unter Mitwirkung meines HNO-Arztes durch den m. Vertriebspartner vornehmen zu lassen.“
Die Empfehlung zugunsten des Unternehmens m. durfte der HNO-Arzt nur aussprechen, wenn dafür in der Person des Patienten F. ein hinreichender Grund bestand oder wenn dieser ausdrücklich um die Empfehlung eines Hörgeräteakustikers gebeten hatte. Derartige Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
Ein hinreichender Grund für die Verweisung an einen bestimmten Leistungserbringer im Sinne von § 34 Abs. 5 BW BOÄ aF und § 31 Abs. 2 BW BOÄ kann sich aus der Qualität der Versorgung, der Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten und aus schlechten Erfahrungen ergeben, die Patienten bei anderen Anbietern gemacht haben. Hingegen reicht die größere Bequemlichkeit eines bestimmten Versorgungswegs für sich allein nicht als hinreichender Grund für eine Verweisung aus[5]. Es ist vom Arzt weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich, dass eine Versorgung des Patienten F. im verkürzten Versorgungsweg im Hinblick auf die Versorgungsqualität besondere Vorteile geboten hätte oder aus einem sonstigen spezifischen Grund erforderlich erschienen wäre. Vielmehr legt die Verbindung der Empfehlung für das Unternehmen m. mit der Information über die Versorgungswege auf derselben Seite desselben Formulars den Schluss nahe, dass der HNO-Arzt die Empfehlung ohne Rücksicht auf besondere Umstände bei der Versorgung des Patienten F. erteilt hat.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Juli 2014 – I ZR 68/13
- vgl. BGH, GRUR 2011, 345 Rn. 30 Hörgeräteversorgung II[↩]
- BGH, GRUR 2009, 977 Rn. 12 Brillenversorgung I; BGH, Urteil vom 17.07.2013 – I ZR 222/11, GRUR 2013, 1056 Rn. 15 = WRP 2013, 1336 Meisterpräsenz[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2011, 345 Rn. 27 bis 30, 34 Hörgeräteversorgung II[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2001 – I ZR 275/99, GRUR 2002, 271, 272 = WRP 2002, 211 Hörgeräteversorgung I[↩]
- BGH, GRUR 2011, 345 Rn. 37 f. Hörgeräteversorgung II[↩]