Entgeltliche Verpflichtung zum Vertragsabschluss

Verpflichtet sich der Unternehmer gegen Entgelt, ein Mietverhältnis einzugehen, ist die Leistung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei.

Entgeltliche Verpflichtung zum Vertragsabschluss

Die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze ist steuerfrei (§ 4 Nr. 8 Buchst. g UStG).

§ 4 Nr. 8 Buchst. g UStG erfasst nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs z.B. die entgeltliche Übernahme einer Ausbietungsgarantie[1]. Steuerfrei ist auch der steuerbare Verzicht auf eine Mietgarantie, wenn die Einräumung der Mietgarantie nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei ist oder -bei Entgeltlichkeit- steuerfrei wäre[2].

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) (zuvor: Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei ist danach die Vermittlung und Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien sowie die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber. Diese Steuerfreiheit bezieht sich auf Finanzdienstleistungen[3]. Hierzu gehört nicht die Übernahme der Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, da es sich der Art nach nicht um ein Finanzgeschäft handelt[4]. Der EuGH hat dies insbesondere damit begründet, dass die Befreiung von Finanzgeschäften bezwecke, Schwierigkeiten zu beseitigen, die mit der Bestimmung der Bemessungsgrundlage verbunden sind[5]. Der Begriff der „Übernahme von Verbindlichkeiten“ i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG schließt somit andere als Geldverbindlichkeiten, wie die Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, von der Steuerfreiheit aus[6].

Zudem ist Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eng auszulegen und definiert die danach steuerfreien Umsätze durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung[7]. Dabei ist die entgeltliche Übertragung eines Bestands von Lebensrückversicherungsverträgen eine einheitliche Leistung, die nicht künstlich in zwei Leistungen, die Übernahme von Verbindlichkeiten i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG und einen Umsatz im Geschäft mit Forderungen i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG, aufgespalten werden kann[8].

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hat die Unternehmerin eine steuerfreie Leistung erbracht. Verpflichtet sich der Unternehmer gegen Entgelt, als Mieter ein Mietverhältnis einzugehen, ist die Leistung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei.

Gegenstand der von der Unternehmerin aufgrund des Vertrages vom 19.02.2007 erbrachten Leistung ist es, ein Mietverhältnis als Mieter einzugehen. Die Unternehmerin wurde hierdurch gemäß § 535 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als Mieter verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Mit ihrer Leistung gegen Entgelt, einen Mietvertrag als Mieter abzuschließen, hat die Unternehmerin somit i.S. von § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG eine Verbindlichkeit begründet und entsprechend der EuGH-Rechtsprechung[6] eine Geldverbindlichkeit übernommen. Sie unterscheidet sich von den durch ihre Erfüllung begründeten Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag.

Da sich die Steuerfreiheit bei richtlinienkonformer Auslegung nach Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung definiert[9], kommt es nicht darauf an, ob der Leistende eine bereits bestehende Verbindlichkeit übernimmt oder erstmals eine Verbindlichkeit begründet. Eine Einschränkung dergestalt, dass es sich um die Leistung an eine Person handeln muss, zu deren Lasten bereits eine Verpflichtung besteht, ist auch bei enger Auslegung des Befreiungstatbestands nicht erforderlich und würde zu einem Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip führen. Danach müssen die Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein, das Organisationsmodell zu wählen, das ihnen am besten zusagt, ohne Gefahr zu laufen, dass ihre Umsätze von der Steuerbefreiung nach der Richtlinie ausgeschlossen werden[10]. Somit ist nicht danach zu differenzieren, ob die Unternehmerin die Verpflichtungen aus einem bereits zuvor abgeschlossenen Mietvertrag von einem Mieter übernimmt oder sich selbst unmittelbar zum Eingehen eines Mietverhältnisses verpflichtet. Die Leistung der Unternehmerin ist daher ebenso steuerfrei, wie wenn der Grundstückseigentümer den Mietvertrag zunächst mit einem Dritten geschlossen hätte und sich die Unternehmerin zur Vertragsübernahme gegen Entgelt verpflichtet hätte.

Zudem sprechen auch die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage[11] für eine Steuerfreiheit. Denn im Streitfall hat die Unternehmerin für die Verpflichtung zur Eingehung eines Mietverhältnisses eine Zahlung in Höhe der von ihr aus dem Mietverhältnis insgesamt geschuldeten Nettomieten erhalten. Bei wirtschaftlicher Betrachtung liegt ihr Vorteil mithin darin, dass sie Mieten über eine Laufzeit von fünf Jahren zu zahlen hat, während sie die Gesamtsumme dieser Nettomieten bereits beim Vertragsschluss erhalten hat. Damit erlangt sie nur einen Zinsvorteil aus ihrer Leistung. Es würde daher nicht zu einer zutreffenden Besteuerung führen, die von ihr im Streitjahr vereinnahmte Zahlung entsprechend § 10 Abs. 1 UStG in voller Höhe als Gegenleistung bestehend aus Entgelt und Umsatzsteuer zu behandeln.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 30. November 2016 – V R 18/16

  1. BFH, Urteil vom 22.10.1992 – V R 53/89, BFHE 169, 551, BStBl II 1993, 318, Leitsatz[]
  2. BFH, Urteil vom 15.04.2015 – V R 46/13, BFHE 250, 253, BStBl II 2015, 947, Leitsatz 2[]
  3. EuGH, Urteil Velvet & Steel Immobilien vom 19.04.2007 – C-455/05, EU:C:2007:232, Rz 21 zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG[]
  4. EuGH, Urteil Velvet & Steel Immobilien, EU:C:2007:232, Rz 23[]
  5. EuGH, Urteil Velvet & Steel Immobilien, EU:C:2007:232, Rz 24[]
  6. EuGH, Urteil Velvet & Steel Immobilien, EU:C:2007:232, Rz 26[][]
  7. EuGH, Urteil Swiss Re vom 22.10.2009 – C-242/08, EU:C:2009:647, Rz 44[]
  8. EuGH, Urteil Swiss Re, EU:C:2009:647, Rz 52[]
  9. EuGH, Urteil Swiss Re, EU:C:2009:647, Rz 44[]
  10. EuGH, Urteile GfBk vom 07.03.2013 – C-275/11, EU:C:2013:141, Leitsatz 3, sowie Rz 30 und 31, sowie Abbey National vom 22.02.2001 – C-408/98, EU:C:2001:110, sowie Ludwig vom 21.06.2007 – C-453/05, EU:C:2007:369, Rz 35; vgl. auch BFH, Urteil vom 22.06.2016 – V R 46/15, BFHE 254, 272, unter II. 2.b bb (4) []
  11. vgl. EuGH, Urteil Velvet & Steel Immobilien, EU:C:2007:232, Rz 24[]