Vorsteuerabzug aus Altgoldlieferungen – und das vorgeschobene Strohmanngeschäft

Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

Vorsteuerabzug aus Altgoldlieferungen – und das vorgeschobene Strohmanngeschäft

Wer bei einem Umsatz als „anderer Unternehmer“ anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt.

Tritt jemand im Rechtsverkehr im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der aus welchen Gründen auch immer nicht selbst als berechtigter bzw. verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will, ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der „Strohmann“ aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet[1]; dementsprechend sind auch dem sog. Strohmann die Leistungen zuzurechnen, die der sog. Hintermann berechtigterweise im Namen des Strohmanns tatsächlich ausgeführt hat[2].

Aus welchen Gründen der Hintermann im Verhältnis zum Dritten, dem Vertragspartner des Strohmanns und Leistungsempfängers, als Leistender nicht in Erscheinung treten will, ist für die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragspartnern regelmäßig ohne Bedeutung. Auch dass der Strohmann, der das Rechtsgeschäft für Rechnung des Hintermannes abschließt, wirtschaftlich am Erfolg des zwischen ihm und dem Dritten wirksamen Rechtsgeschäftes nicht oder ggf. nur in Form einer „Provision“ für seine Strohmann-Dienste teilhaben soll, berührt nicht die Beurteilung der Leistungsbeziehungen zwischen Strohmann und Drittem, sondern nur die Frage, ob auch zwischen dem Hintermann und dem Strohmann eine entgeltliche Leistung -in der Regel ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (vgl. § 675 BGB)- vorliegt.

Unbeachtlich ist das „vorgeschobene“ Strohmanngeschäft -zivilrechtlich und (umsatz-)steuerrechtlich (vgl. auch § 41 Abs. 2 AO 1977)- allerdings dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen worden ist, d.h. wenn die Vertragsparteien -der Strohmann und der Dritte- einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Dritten und dem Hintermann eintreten sollen[3]. Dementsprechend kommt umsatzsteuerrechtlich eine von den vertraglichen Vereinbarungen abweichende Bestimmung der Person des leistenden Unternehmers in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft zwischen dem Leistungsempfänger und dem Strohmann nur zum Schein abgeschlossen worden ist und der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene -ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende- Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will[4].

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs weiter voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG muss die Rechnung den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Dies entspricht den Vorgaben der Art 178 Bstb. a und 226 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Da gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG eine Rechnung auch von einem nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG zur Ausstellung von Rechnungen berechtigten Leistungsempfänger ausgestellt werden kann, sofern dies vorher vereinbart wurde, muss auch eine auf solche Weise entstandene sog. Gutschrift die Anforderungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erfüllen. Dies folgt auch aus Art 220 Abs. 1 Nr. 1, 224 und 226 Nr. 5 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie.

Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer müssen grundsätzlich identisch sein[5]. Die Angaben im Abrechnungspapier müssen deshalb eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglichen[6].

Ist eine Anschrift bewusst falsch erklärt, ist sie nicht „vollständig“ im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG. Der Abzug der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer ist nur möglich, wenn die in der Gutschrift als leistender Unternehmer bezeichnete Person die dort ausgewiesenen Umsätze ausgeführt hat und wenn diese Voraussetzungen anhand der Angaben in der Gutschrift durch die Finanzverwaltung nachgeprüft werden können. Davon ist nach der vom Finanzgericht geteilten Auffassung des BFH nicht auszugehen, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz des leistenden Unternehmers bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich nicht bestanden hat[7].

Finanzgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 15. November 2013 – 1 K 1766/12

  1. BFH, Beschluss vom 31.01.2002 – V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622 m.w.N.[]
  2. BFH, Beschluss in BStBl II 2004, 622 unter Hinweis auf BFH, Beschlüsse vom 18.07.2001 – V B 198/00, BFH/NV 2002, 78, unter 3. b; vom 25.06.1999 – V B 107/98, BFH/NV 1999, 1649[]
  3. BFH, Beschluss vom 31.01.2002 – V B 108/01 unter Hinweis auf das BGH, Urteil in NJW-RR 1997, 238 und Kramer in MünchKomm, § 117 BGB Rz. 12, 15, m.w.N.[]
  4. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2000, 353; BFH, Beschluss in BFH/NV 2000, 611[]
  5. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile vom 05.04.2001 – V R 5/00, BFH/NV 2001, 1307; vom 01.02.2001 – V R 6/00, BFH/NV 2001, 941; vom 28.01.1999 – V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628, m.w.N.[]
  6. BFH, Urteile vom 29.04.1993 – V R 118/89, BFH/NV 1994, 584; und vom 17.09.1992 – V R 41/89, BFHE 169, 540, BStBl II 1993, 205, jeweils m.N.; BFH, Beschluss vom 02.07.1999 – V B 171/98, BFH/NV 1999, 1652; vgl. BFH, Urteil vom 26.04.2001 – V R 50/99, BFHE 194, 536 -zur Bezeichnung des Leistungsempfängers-[]
  7. z.B. BFH, Urteil in BFH/NV 2001, 941; FG, Beschlüsse vom 14.03.2000 – V B 187/99, BFH/NV 2000, 1252; vom 11.03.1999 – V B 135/98, BFH/NV 1999, 1253; FG, Urteil vom 27.06.1996 – V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620[]