Abgabe von medizinischen Hilfsmittel – und der Verzicht auf die gesetzliche Zuzahlung

Die Werbung mit einem Verzicht auf die gesetzlich vorgesehene Zuzahlung bei medizinischen Hilfsmitteln ist zulässig.

Abgabe von medizinischen  Hilfsmittel – und der Verzicht auf die gesetzliche Zuzahlung

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall handelte die Beklagte im Internet mit medizinischen Hilfsmitteln, insbesondere zur Behandlung von Diabetes. Sie warb damit, dass ihre Kunden keine gesetzliche Zuzahlung entrichten müssen, weil sie diese übernehme. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, beanstandet diese Werbung, weil sie gegen die Regelungen zur Zuzahlung in § 33 Abs. 8 SGB V und § 43c Abs. 1 SGB V sowie gegen das Verbot von Werbegaben in § 7 Abs. 1 HWG verstoße. Sie begehrt von der Händlerin Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Ulm hat die Klage der Wettbewerbszentrale abgewiesen[1]. Die hiergegen gerichtete Berufung der Wettbewerbszentrale hatte vor dem Oberlandesgericht Stuttgart Erfolg[2]. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat dabei angenommen, der Verzicht auf die Zuzahlung widerspreche der gesetzlichen Pflicht, die Zuzahlungen für Hilfsmittel einzuziehen, und stelle deshalb eine im Gesundheitswesen verbotene Werbegabe dar. Auf die Revision der Händlerin hat der Bundesgerichtshof nun die die Klage abweisende erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Ulm wiederhergestellt:

Die gesetzlichen Zuzahlungsregelungen dienen der Kostendämpfung im Gesundheitswesen und nicht dem Schutz der dort tätigen Mitbewerber. Die Einhaltung dieser Regeln kann daher von vornherein nicht mit Mitteln des Lauterkeitsrechts durchgesetzt werden.

Der Zuzahlungsverzicht ist auch keine verbotene Heilmittelwerbung. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG sind bestimmte oder auf bestimmte Art zu berechnende Rabatte jeder Art für nicht preisgebundene Arzneimittel, Medizinprodukte und andere Heilmittel erlaubt. In § 33 Abs. 8 Satz 3 SGB V und § 61 Satz 1 SGB V sind die Zuzahlungen an die Höhe des Abgabepreises gekoppelt und lassen sich ohne weiteres errechnen.

Die gesetzlichen Regelungen zur Zuzahlung stehen einem solchen Rabatt bei Hilfsmitteln nicht entgegen. Gemäß § 33 Abs. 8 SGB V wird bei Hilfsmitteln der Verkäufer und nicht – wie etwa bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln – die Krankenkasse Inhaber der Zuzahlungsforderung gegen die Versicherten. Der Vergütungsanspruch des Hilfsmittellieferanten gegen die Krankenkasse verringert sich automatisch um die Zuzahlung. Der Verkäufer der Hilfsmittel kann über die Zuzahlungsforderung frei verfügen, also darauf auch verzichten. § 43c Abs. 1 SGB V gilt nicht beim Vertrieb von Hilfsmitteln.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Dezember 2016 – I ZR 143/15

  1. LG Ulm, Urteil vom 23.06.2014 – 3 O 4/14, GRUR-RR 2014, 511[]
  2. OLG Stuttgart, Urteil vom 09.07.2015 – 2 U 83/14, GRUR-RR 2015, 449[]