Das neu verpackte Pflanzenschutzmittel

Ein zugelassenes Pflanzenschutzmittel verliert mit der Entfernung seiner (Primär-)Verpackung seine Verkehrsfähigkeit.

Das neu verpackte Pflanzenschutzmittel

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG 2002 durften Pflanzenschutzmittel in der Formulierung, in der die Abgabe an den Anwender vorgesehen war, nur in Verkehr gebracht oder eingeführt werden, wenn sie vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zugelassen waren. Die Vorschrift diente der Umsetzung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414/EWG. Nach dieser Bestimmung, die bis zum 13.06.2011 galt, waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass in ihrem Gebiet zu anderen als Forschungsoder Entwicklungszwecken nur die Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht und angewendet werden durften, die sie nach den Bestimmungen dieser Richtlinie zugelassen hatten. Die Zulassung galt dabei nur für Mittel mit gemeinsamem Ursprung; die Mittel mussten daher vom Zulassungsinhaber oder einem verbundenen Unternehmen oder in Lizenz nach derselben Formel und unter Verwendung desselben Wirkstoffs hergestellt sein und auch die gleichen Wirkungen haben[1]. Einem von einem konkurrierenden Unternehmen parallel hergestellten Mittel fehlte daher der erforderliche gemeinsame Ursprung, weshalb die für das Referenzmittel bestehende Zulassung von vornherein nicht auch für dieses Mittel galt[2].

Dem Importeur oblag danach der Nachweis, dass es sich bei dem von ihm in Verkehr gebrachten Mittel um das Mittel handelte, für das eine Zulassung bestand[3].

Er konnte diesen Beweis im Streitfall allerdings deshalb nicht mehr führen, weil das von ihm vertriebene Mittel dadurch, dass es aus seiner (primären) Verpackung herausgenommen worden war, seine zuvor gegebene Verkehrsfähigkeit verloren hatte. Der insoweit im Streitfall gegebene Sachverhalt lässt sich schon von vornherein nicht mit den Fällen vergleichen, in denen bei Arzneimitteln das Umpacken oder Umetikettieren als für deren Verkehrsfähigkeit unschädlich angesehen wird[4]; denn in jenen Fällen ist regelmäßig die Primärverpackung erhalten geblieben, so dass auch die Identität der Mittel in der Regel nicht bestritten ist. Demgegenüber besteht beim Umetikettieren und insbesondere beim Umfüllen eines Pflanzenschutzmittels die Gefahr seiner Verunreinigung oder sonstigen Verfälschung. Zudem können weder die Überwachungsbehörden noch die Mitbewerber und Verbände, die bei Rechtsverstößen gemäß § 8 Abs. 3 UWG klagebefugt sind, noch erst recht die Anwender die Übereinstimmung des gelieferten mit dem zugelassenen Mittel überprüfen[5]. Soweit dieser Sichtweise entgegengehalten wird, sie verletze die unionsrechtlich vorgesehene strikte Trennung zwischen Vor- und Nachmarktkontrolle[6], bleibt unberücksichtigt, dass der Unionsgesetzgeber gerade auch bei parallelimportierten Pflanzenschutzmitteln Veränderungen an der Verpackung in Art. 52 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 der Kontrolle im Genehmigungsverfahren unterstellt hat[7].

Es ist weder ersichtlich noch im Übrigen auch konkret vorgetragen, dass die vorstehende Sichtweise zu einer Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 34 AEUV führt. Zumindest aber wäre eine solche Beschränkung zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen gemäß Art. 36 AEUV gerechtfertigt[8]. Soweit die Revision geltend macht, dass allenfalls ein vereinfachtes Zulassungsverfahren für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel nach seinem von der Beklagten behaupteten Reimport unionsrechtskonform wäre, lässt sie unberücksichtigt, dass dieses Mittel aufgrund der Entfernung seiner Primärverpackung nach den oben unter Randnummer 12 angestellten Erwägungen nicht mehr als zugelassenes Mittel anzusehen ist.

Nach der heute geltenden Rechtslage bedarf der Re-Importeur – wie schon im alten Recht – für das Inverkehrbringen des in Rede stehenden Produkts im Inland grundsätzlich einer Zulassung nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (§ 28 Abs. 1 PflSchG 2012), über die er unstreitig nicht verfügt. Eine solche Zulassung ist vorliegend nicht entbehrlich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Importeur sich auf eine für den Parallelhandel erteilte Genehmigung nach Art. 52 der Verordnung stützen könnte oder wenn es sich um einen Reimport handelte, für den es keiner gesonderten Zulassung bedürfte.

Über eine Genehmigung nach Art. 52 der Verordnung verfügt der Importeur im vorliegenden Streitfall nicht. Die Voraussetzungen, die die Verordnung für die Erteilung einer solchen Genehmigung vorsieht, wären im Streitfall auch nicht erfüllt gewesen. Die für den Parallelhandel vorgesehene Erteilung der Genehmigung nach Art. 52 der Verordnung setzt voraus, dass das Pflanzenschutzmittel in einem EU-Mitgliedstaat (Ursprungsmitgliedstaat) zugelassen ist und in einem anderen Mitgliedstaat in Verkehr gebracht werden soll, in dem für ein identisches Mittel (Referenzmittel) bereits eine Zulassung besteht. Liegen diese Voraussetzungen vor, braucht lediglich noch die Identität des in Verkehr zu bringenden Mittels mit dem Referenzmittel festgestellt zu werden (Art. 52 Abs. 1 der Verordnung). Der Importeur hat sich nicht darauf berufen, dass das von ihm aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführte Pflanzenschutzmittel dort aufgrund einer Zulassung nach Art. 28 der Verordnung verkehrsfähig gewesen wäre. Er hat vielmehr deutlich gemacht, dass ihm das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach Art. 52 der Verordnung deswegen nicht offenstand, weil er sich nicht auf eine Zulassung und damit auf die Verkehrsfähigkeit im Ursprungsmitgliedstaat, also in dem Mitgliedstaat stützen konnte, aus dem das fragliche Pflanzenschutzmittel nach Deutschland (wieder)eingeführt worden ist.

Auch ein Reimport, für den es keiner gesonderten Zulassung bedarf, liegt im Streitfall nicht vor.

Die Beklagte beruft sich darauf, dass das Pflanzenschutzmittel, dessen Inverkehrbringen von der Klägerin beanstandet wird, in Deutschland erworben und in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden sei, bevor sie es umgepackt, mit einem eigenen Etikett versehen und wieder nach Deutschland eingeführt habe. Damit liegen die Voraussetzungen nicht vor, die das Gesetz an einen Reimport stellt, für den keine gesonderte Zulassung oder Genehmigung erforderlich ist. Zwar ergibt sich aus § 46 Abs. 1 Satz 2 PflSchG, dass ein Reimport keiner Genehmigung nach Art. 52 der Verordnung – und damit erst recht keiner (erneuten) Zulassung nach Art. 28 der Verordnung – bedarf. Ein Reimport liegt indessen nach § 2 Nr. 17 PflSchG 2012 nur dann vor, wenn ein in Deutschland zugelassenes Pflanzenschutzmittel in seiner für das Inverkehrbringen in Deutschland bestimmten Originalverpackung und Originaletikettierung aus einem anderen Staat wieder eingeführt wird.

Die deutsche Regelung, nach der die Verkehrsfähigkeit von reimportierten Pflanzenschutzmitteln davon abhängt, dass sie nicht umgepackt und nicht umetikettiert worden sind, ist mit dem Unionsrecht vereinbar. Dies wird aus der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 deutlich, die das vereinfachte Genehmigungsverfahren des Art. 52 an ganz bestimmte, im Streitfall nicht gegebene Voraussetzungen knüpft. Hintergrund dieser Regelung ist, dass es mit der Warenverkehrsfreiheit des Art. 34 AEUV nicht in Einklang stünde, wenn die Einfuhr und das Inverkehrbringen eines im EUAusland verkehrsfähigen Pflanzenschutzmittels, das mit einem im Inland zugelassenen Mittel (ursprungs-)identisch ist, einer (erneuten) vollen Zulassung bedürfte. Der Unionsgesetzgeber hat daher für diese Konstellation das vereinfachte Genehmigungsverfahren vorgesehen, in dem lediglich die Identität des einzuführenden mit dem Referenzmittel geprüft wird.

Der Streitfall zeichnet sich dadurch aus, dass das in Rede stehende Produkt nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vorbringen der Beklagten aus Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedstaat verbracht und von dort wieder nach Deutschland eingeführt worden ist, ohne dass es in diesem anderen Mitgliedstaat verkehrsfähig gewesen wäre. Es ist unionsrechtlich nicht nur unbedenklich, sondern sogar geboten, dass der nationale Gesetzgeber für eine solche Konstellation, in der das in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorgesehene, auf eine Identitätsprüfung beschränkte Genehmigungsverfahren nicht zur Verfügung steht, eine Berufung auf die im Inland bestehende Zulassung auf die Fälle beschränkt, in denen das zu reimportierende Produkt sich noch in der Originalverpackung befindet und noch mit dem Originaletikett versehen ist. Denn andernfalls fände keinerlei Überprüfung der (Ursprungs-)Identität statt. Allein die Versicherung des (Re)Importeurs, es handele sich um ein im Inland zugelassenes Pflanzenschutzmittel, kann für eine Verkehrsfähigkeit nicht ausreichen.

Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht[9] kann aus dem Umstand, dass nach Art. 31 Abs. 4 Buchst. i der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 die Größe und das Material der Verpackung des Pflanzenschutzmittels in der für dieses Mittel erteilten Zulassung festgelegt werden kann, nicht aber festgelegt werden muss, auch nicht geschlossen werden, dass Erwerber des Mittels, die – wie die Beklagte – dieses weitervertreiben wollen, es grundsätzlich auch in einer neuen primären Verpackung anbieten können. Die Gegenmeinung berücksichtigt nicht hinreichend, dass auch beim in Art. 52 der Verordnung geregelten Parallelhandel das einzuführende Pflanzenschutzmittel nur dann im Einfuhrmitgliedstaat verkehrsfähig ist, wenn die dort für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde festgestellt hat, dass dieses Mittel mit dem im Einfuhrmitgliedstaat zugelassenen Referenzmittel identisch ist; die unversehrte Verpackung stellt dabei einen wichtigen Hinweis auf die Identität dar.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Januar 2013 – I ZR 187/09

  1. vgl. EuGH, Urteil vom 11.03.1999 – C-100/96, Slg. 1999, I-1499 = EuZW 1999, 341 Rn. 40 – British Agrochemicals Association; Urteil vom 21.02.2008 – C-201/06, Slg. 2008, I-735 Rn. 39 – Kommission/Frankreich[]
  2. EuGH, Slg. 2008, I-735 Rn. 43 – Kommission/Frankreich[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2009 I ZR 186/07, GRUR 2010, 160 Rn. 15 = WRP 2010, 250 – Quizalofop; Urteil vom 02.02.2012 – I ZR 81/10, GRUR 2012, 945 Rn. 32 = WRP 2012, 1222 – Tribenuronmethyl, jeweils mwN[]
  4. vgl. auch EuGH, Slg. 2008, I-735 Rn. 44 – Kommission/Frankreich[]
  5. vgl. Koof, AUR 2008, 100; Kaus, StoffR 2010, 176, 177; Ouart, StoffR 2012, 57, 74 bis 76; vgl. weiter zu Parallelimporten im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2, § 16c PflSchG 2006, Art. 52 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates Garçon in Fluck/Fischer/von Hahn, REACH + Stoffrecht, Deutsches, Europäisches und Internationales Chemikalien, Pflanzenschutz, Biozidund sonstiges Stoffrecht, Ordn.Nr. 1001, 13. Lfg.01.2012, VO 1107/2009, Überblick Rn. 90 f.; Kammann, StoffR 2008, 172, 176; ders., StoffR 2011, 52, 56 bis 58; Kaus, StoffR 2009, 184, 191; ders., StoffR 2010, 176, 177 ff.; Stallberg, StoffR 2009, 216, 221; Ouart, StoffR 2012, 57, 68 bis 70[]
  6. vgl. Winkelmüller/Schink, AUR 2011, 381, 384 f.; vgl. weiter – zum Umpacken bei Parallelimporten gemäß Art. 52 der Verordnung (EG) Nr. 1109/2009 – Geesmann, StoffR 2011, 134, 135 ff.; Schink/Winkelmüller, StoffR 2012, 142, 146 f.[]
  7. vgl. ferner Ouart, StoffR 2012, 57, 75[]
  8. vgl. Ouart, StoffR 2012, 57, 76; vgl. weiter Garçon in Fluck/Fischer/von Hahn aaO Rn. 92 f.[]
  9. vgl. Geesmann, StoffR 2011, 134, 135 f.; Schink/Winkelmüller, StoffR 2012, 142, 146 f.[]