Koffer mit Rillen-Design – Original und Fälschung

Stellt das einheitliche Rillen-Design von Koffern in verschiedenen Serien das Charakteristische der Koffer dar und hat dieses Design in seiner konkreten Ausgestaltung auf dem Markt seit Jahrzehnten eine Alleinstellung, spricht dies für die Annahme eines schützenswerten Leistungsergebnisses.

Koffer mit Rillen-Design – Original und Fälschung

Bei einer nahezu identischen Nachahmung dieses Rillen-Designs bei Koffern führt die auf dem nachgeahmten Produkt angebrachte Herkunftskennzeichnung nicht ohne Weiteres zur Verneinung einer Herkunftstäuschung. Zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung müsste die Kennzeichnung dem Umstand gerecht werden, dass das Rillen-Design auf Koffern auch aus größerer Entfernung wahrgenommen werden kann.

Die Originalherstellerin ist nicht gehindert, wettbewerbsrechtliche Ansprüche neben markenrechtlichen Ansprüchen geltend zu machen.

Zwar ist im Anwendungsbereich der Bestimmungen des Markengesetzes für einen lauterkeitsrechtlichen Schutz grundsätzlich kein Raum[1]. Die Originalherstellerin begehrt aber, soweit sie ihre Ansprüche auf die Grundsätze des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz stützt, keinen Schutz für eine Kennzeichnung. Sie macht vielmehr Nachahmungsschutz für die Produktpalette ihrer Koffer (Kofferserien) als konkretes Leistungsergebnis geltend. Deren Erscheinungsbild werde durch das oben beschriebene Rillen-Design geprägt. Diese Rillenstruktur – so die Originalherstellerin – gelte im Handel und den beteiligten Verkehrskreisen als typisches „R-Design“, auch kurz „Rillen-Design“ genannt.

Die Originalherstellerin begründet ihre Ansprüche damit, dass die Nachahmerin dadurch unlauter gehandelt habe, dass dieses die die wettbewerbliche Eigenart der Koffer der Originalherstellerin begründende Merkmal übernommen und dadurch eine vermeidbare Herkunftstäuschung hervorgerufen habe. Wie der Bundesgerichtshof bereits in der Entscheidung „Rillenkoffer“[2] ausgeführt hat, fällt ein solches Begehren nicht in den Schutzbereich des Markenrechts[3], so dass Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz in Betracht kommen.

Der Originalherstellerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus ergänzendem wettbewerblichen Leistungsschutz unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung zu.

Der Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses kann wettbewerbswidrig sein, wenn das Produkt von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. Dabei besteht zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen eine Wechselwirkung. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen[4].

Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen[5].

Daraus ergibt sich, dass bei der Beurteilung der Frage nach dem Gegenstand des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes von der Verkehrsauffassung auszugehen ist. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich das Oberlandesgericht Karlsruhe anschließt, kann auch einem Produktprogramm als Gesamtheit von Erzeugnissen mit Gemeinsamkeiten in der Zweckbestimmung und Formgestaltung unter bestimmten Voraussetzungen wettbewerblicher Schutz gewährt werden[6]. Voraussetzung ist dabei nicht, dass jedes einzelne Teil für sich genommen eine wettbewerbliche Eigenart aufweist. Diese kann vielmehr auch in einer wiederkehrenden Formgestaltung mit charakteristischen Besonderheiten bestehen, die bewirken, dass sich die zum Programm gehörenden Gegenstände für den Verkehr deutlich von Waren anderer Hersteller abheben[7]. Somit muss sich die Originalherstellerin nicht festlegen, aus welchem Koffermodell oder aus welchen Koffermodellen sie ihre Ansprüche herleiten will[8]. Der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung das Vorliegen der wettbewerblichen Eigenart zwar mangels Feststellungen des Berufungsgerichts offengelassen, es aber für rechtlich möglich angesehen, dass das Rillen-Design, das sich immer wiederkehrend auf den Koffern der (gesamten) Produktpalette der Originalherstellerin findet, diese Anforderungen erfüllt.

Das Rillen-Design der Koffer der Originalherstellerin ist von wettbewerblicher Eigenart.

Das Rillen-Design der im Sortiment der Originalherstellerin befindlichen Koffer ist aufgrund der konkreten Ausgestaltung für den Verkehr geeignet, auf die betriebliche Herkunft der Koffer hinzuweisen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Verkehr auf Grund der Ausgestaltung oder der Merkmale des Produkts die Vorstellung hat, es könne wohl nur von einem bestimmten Anbieter oder eines mit ihm verbundenen Unternehmen stammen[9]. Dies hat das Landgericht im Streifall zu Recht bejaht.

Maßgeblich für die Beurteilung der Vorstellung des Verkehrs sind dabei breiteste Verkehrskreise. Der Verkehrskreis ist nicht auf diejenigen Personen begrenzt, die sich allein für höherpreisige Koffer interessieren. Es handelt sich bei den Koffern der Originalherstellerin nicht um einen als Luxusgut anzusehenden Gegenstand. Denn die Koffer werden in nahezu jedem Fachgeschäft und – wie gerichtsbekannt ist – auch in Kofferabteilungen von Kaufhäusern angeboten.

Das Rillen-Design ist geeignet, den Verkehr aufgrund der konkreten Ausgestaltung auf die betriebliche Herkunft der Koffer hinzuweisen. Denn es handelt sich bei dem Rillen-Design auf der Außenseite der Koffer der Originalherstellerin um das Charakteristische ihrer Koffer. Gegen diese Annahme wendet sich die Nachahmerin ohne Erfolg.

Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass dieses Design dahin beschrieben werden kann, dass die Koffer außen vorstehende, eine Reflexion erzeugende Rippen aufweisen, die einen gleichbleibenden Abstand zueinander haben und sich über die gesamte Fläche der beiden Breitseiten (Vorder- und Rückseite) erstrecken und auch in die Teilbereiche der Stirnwandungen übergehen. Die Nachahmerinn haben darüber hinaus nicht bestritten, dass die von der Originalherstellerin hergestellten und vertriebenen Koffer diese Rillen seit über 60 Jahren aufweisen. Dass die Originalherstellerin auch Koffer ohne diese Rillen herstelle und veräußere, wird nicht behauptet. Das Rillen-Design ist das verbindende Element aller Koffer aus der Produktpalette der Originalherstellerin.

Insoweit lässt das Oberlandesgericht Karlsruhe auch nicht den Einwand gelten, für den Verkehr seien auch andere Merkmale wie beispielsweise die metallische glänzende und unstrukturiert Oberfläche der Koffer und die „männliche“ Geometrie der Koffer sowie die genieteten Schutzkappen an den Ecken sowie die spezielle Form der Rollen charakteristisch. Im Vergleich zu dem Rillendesign stehen diese Merkmale des Koffers deutlich im Hintergrund. Dies kann das Oberlandesgericht Karlsruhe, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, selbst beurteilen.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe unterstellt, dass das bei einem Teil des Sortiments der Originalherstellerin verwendete Aluminiummaterial gleichfalls geeignet ist, auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Koffer hinzuweisen. Das Vorhandensein eines weiteren, gleichfalls auf die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb hinweisenden Merkmals steht der Annahme nicht entgegen, dass das Charakteristische der von der Originalherstellerin hergestellten Koffer (Aluminium- und Kunststoffkoffer) jedenfalls auch in dem verwendeten konkreten Rillen-Design liegt.

Bei den charakteristisch durch das Rillen-Design geprägten Koffern aller Modelle handelt es sich um ein schützenswertes Leistungsergebnis.

Die Funktion dieses (ungeschriebenen) Tatbestandsmerkmals liegt vor allem darin, den Schutz vor Nachahmung gerade auf solche Leistungsergebnisse zu beschränken, die unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher, der sonstigen Marktteilnehmer und der Allgemeinheit schutzwürdig sind. Das ist bei Allerwelterzeugnissen oder Dutzendware nicht der Fall[10], weil bei ihnen der Verkehr keinen Wert auf die betriebliche Herkunft oder Qualität legt.

Dabei sind für das Oberlandesgericht Karlsruhe bei der Feststellung der Verkehrsauffassung die nachfolgend wiedergegebenen Umstände von entscheidender Bedeutung:

Bei den Produkten der Originalherstellerin handelt es sich nicht um Allerwelterzeugnisse oder Dutzendware. Die Originalherstellerin bringt seit über 60 Jahren Koffer unterschiedlichster Größe und Dicke mit diesem Rillen-Design aus Aluminium und zusätzlich seit ca. 35 Jahren aus Kunststoff auf den Markt. Ihre Koffer werden in Deutschland in nahezu jedem Fachgeschäft auch in den Fachabteilungen von Kaufhäusern angeboten. Hinzu kommt entscheidend, dass dieses von der Originalherstellerin verwendete Rillen-Design bisher einmalig ist, es auf dem Markt also kein vergleichbares Wettbewerbsprodukt gibt. Diesen mit der Klageschrift geführten Vortrag der Originalherstellerin hat die Nachahmerin nicht mit Substanz bestritten. Der unter Sachverständigenbeweis gestellte Vortrag der Nachahmerinn, sämtliche auf dem Markt befindliche Hartschalenkoffer, die zur Gewichtsreduzierung mit einer relativen dünnen Schale ausgebildet seien, wiesen heutzutage derartige Versteifungen auf, bezieht sich nicht auf die von der Originalherstellerin verwendeten Rillen, sondern allgemein auf Versteifungsrippen. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist dieses Alleinstellungsmerkmal der Originalherstellerin nicht in Frage gestellt worden. Die Nachahmerin hat auf die ausdrückliche Behauptung einer Alleinstellung hin keinen Hersteller benannt, dessen Koffer vergleichbare, in einem ähnlichen Abstand wiederkehrende und sich über die Breitseiten erstreckende Rillen bzw. Rippen aufweist. Angesichts des Umstandes, dass diese Rillenstruktur bei Koffern außergewöhnlich und bei einem Koffer auch von Weitem gut wahrzunehmen ist, sieht der Verkehr in der so gestalteten Außenfläche nicht nur eine Besonderheit der Koffer der Originalherstellerin, die den Gesamteindruck der Koffer entscheidend prägt, sondern auch einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller. Angesichts der Verwendung dieses Designs für eine Vielzahl unterschiedlicher Koffer geht der Verkehr nicht davon aus, dass die Anordnung der Rippen irgendeine technische Funktion erfüllen (müssen). Der von der Nachahmerinn angeführt Umstand, dass das Anbringen von Rillen wie z.B. bei Frachtcontainern grundsätzlich bekannt ist, steht dem nicht entgegen. Als Indiz dafür, dass auch die Originalherstellerin selbst dieses konkrete Design als herkunftshinweisende Besonderheit ihrer Koffer bewertet, kann ergänzend herangezogen werden, dass diese ihre im Jahr 1986 ihrer Bestimmung übergebene Hauptverwaltung in diesem Rillen-Design hat gestalten lassen.

Ohne Erfolg macht die Nachahmerin geltend, die Annahme einer wettbewerblichen Eigenart scheide aus, da die Rillen technisch bedingt seien und der Versteifung dienten.

Selbst wenn die Rillen – was die Originalherstellerin bestritten hat – zur Versteifung beitragen sollten, schließt dies die Bejahung einer wettbewerblichen Eigenart nicht aus. Denn dass gerade diese konkrete technische Lösung zur Gewährleistung der erforderlichen Versteifung erforderlich wäre, behauptet auch die Nachahmerin nicht. Tatsächlich könnte auch die Materialstärke erhöht, ein Rahmen vorgesehen oder die Rippenstruktur nach innen gerichtet werden. Soweit die Nachahmerin meint, die Rillen verringerten die Auflagefläche des Koffers z.B. auf dem Kofferband, ist das Rillen-Design der Originalherstellerin hierfür nicht notwendig. Die Rillen könnten hierfür auch gekreuzt über die Außenseite des Koffers verlaufen. Merkmalen, die zwar technisch bedingt sind, aber – ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind – frei wählbar und austauschbar sind, kann wettbewerbliche Eigenart zukommen, vorausgesetzt, der Verkehr legt auf Grund dieser Merkmale Wert auf die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb oder verbindet damit gewisse Qualitätserwartungen[11]. Im Streitfall eignet sich das Rillen-Design aus der Sicht des Verkehrs schon für sich genommen als Anknüpfungspunkt für Vorstellungen über die betriebliche Herkunft und die Qualität der betreffenden Koffer.

Die deutlich ausgeprägte wettbewerbsrechtliche Eigenart des Rillen-Designs rechtfertigt angesichts der Alleinstellung dieses Designs auf dem Markt, der Verbreitung der Koffer der Originalherstellerin in nahezu allen Fachgeschäften und der Dauer der Verwendung des Rillen-Designs die Annahme einer gestärkten Kennzeichnungskraft. Soweit das Oberlandesgerichts Köln[12] von einer „schwach durchschnittlichen“ wettbewerblichen Eigenart der Produkte der Originalherstellerin ausgegangen ist, hat es bei der Beurteilung der Verkehrsauffassung die zuvor genannten Umstände nicht zu Grunde gelegt. Zu den Beschlüssen der Beschwerdekammern des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (HABM) zu parallelen Gemeinschaftsmarkenanmeldungen der Originalherstellerin bedarf es keiner Ausführungen. Diese beziehen sich allein auf die markenrechtliche Prüfung und daher nicht auf die für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz maßgebliche Marktsituation.

Der angegriffene Koffer der Nachahmerinn stellt eine nahezu identische Nachahmung dar. Von einer (nahezu) identischen Nachahmung ist auszugehen, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist[13]. Dabei ist zu prüfen, ob gerade die übernommenen Gestaltungsmittel diejenigen sind, die die wettbewerbliche Eigenart des Produkts ausmachen, für das der Schutz beansprucht wird[14].

Dies ist vorliegend der Fall: Der angegriffene, von der Nachahmerinn hergestellte und angebotene Koffer weist außen vorstehende, eine Reflexion erzeugende Rippen auf, die einen gleichbleibenden Abstand zueinander haben, sich über die gesamte Fläche der beiden Breitseiten (Vorder- und Rückseite) erstrecken und auch in die Stirnwandungen übergehen. Anders als bei den in der Abbildung Anl. 16 gezeigten Koffern eines anderen Anbieters erstrecken sich bei dem angegriffenen Koffer der Nachahmerinn die Rillen also nicht lediglich über eine Teilfläche der Breitseiten. Auch bei dem Koffer der Nachahmerinn fällt die Rippenstruktur sofort ins Auge und lässt andere Gestaltungsmerkmale zurücktreten. Das gilt etwa für die stärker abgerundete Form, die abweichende Gestaltung der Räder und die leicht abweichende Gestaltung des Griffs.

Die Nachahmerin weist allerdings zu Recht darauf hin, dass der angegriffene Koffer keine glatte, unstrukturierte Oberfläche, sondern eine textil- oder gewebeartige Struktur aufweist. Das gilt auch für den Bereich der Rippen, auf den es nach dem rechtlichen Ausgangspunkt des Senats entscheidend ankommt. Anders als die Nachahmerin meint, führt dies aber nicht zu einem so weit abweichenden Gesamteindruck, dass die Ähnlichkeit mit dem Originalprodukt der Originalherstellerin in rechtlich relevantem Umfang verringert wird. Denn schon aus wenigen Metern Entfernung (je nach Blickwinkel und Beleuchtung) ist die textile Struktur nur noch bei intensiver Betrachtung wahrzunehmen. Daher ist bei einer oberflächlichen Durchsicht des Angebots von Koffern für den Verkehr neben den Rippen und Rillen insoweit lediglich zu erkennen, dass die Oberfläche bei dem Koffer der Nachahmerinn nicht glänzend ist. Dieser Umstand steht der Annahme einer großen Ähnlichkeit gerade in dem die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmal aber nicht entgegen. Im Hinblick auf die hohe Ähnlichkeit ist – anders als das Landgericht angenommen hat – nicht nur von einer nachschaffenden Nachahmung, sondern von einer nahezu identischen Nachahmung auszugehen. Denn die Abweichung führt nur zu einer geringfügigen und im Gesamteindruck unerheblichen Abweichung vom Original.

Für die Annahme einer Nachahmung ist darüber hinaus erforderlich, dass der Nachahmerinn bei der Schaffung des angegriffenen Koffers die Koffer der Kläger und damit deren Rillen-Design bekannt war. Da das Produkt der Nachahmerinn zeitlich nach den seit Jahrzehnten mit dem Rillen-Design versehenen Koffern der Originalherstellerin auf den Markt gekommen ist, ist widerleglich zu vermuten, dass die Nachahmerin vom Produkt der Originalherstellerin bei der Schaffung der Nachahmung Kenntnis hatte. Diese Vermutung hat die Nachahmerin nicht widerlegt.

Die Nachahmerin bietet den angegriffenen Koffer auch in der Bundesrepublik an. Die Auslieferung an einen in Konstanz ansässigen Händler oder einen Zwischenhändler genügt hierfür.

Die Nachahmung ist unlauter, da sie eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft des Nachahmungsproduktes herbeiführt.

Die bloße Tatsache, dass die angebotenen Produkte Nachahmungen sind, begründet für sich allein nicht die Unlauterkeit im Sinne des § 4 Nr. 9 UWG. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, die dieses Verhalten unlauter machen. Nach § 4 Nr. 9 a UWG ist das Anbieten eines Nachahmungsproduktes unlauter, wenn eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft des Nachahmungsproduktes herbeigeführt wird. Dabei beurteilt sich die Frage der Herkunftstäuschung aus der Sicht der Abnehmer des Nachahmungsproduktes. Maßgeblich ist dabei dies Sicht der angemessen gut informierten, angemessen aufmerksamen und kritischen durchschnittlichen Abnehmer. Voraussetzung für eine Täuschung ist, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit bei nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise erlangt hat[15]. Denn ist dem Verkehr nicht bekannt, dass es ein Original gibt, scheidet eine Herkunftstäuschung in aller Regel schon begrifflich aus[16]. Eine Verkehrsgeltung ist aber nicht erforderlich[17]. Es bedarf vielmehr im Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung lediglich einer gewissen Bekanntheit auf dem inländischen Markt, die ein solches Maß erreicht haben muss, dass sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden[18]. Dies ist vorliegend der Fall. Einer Beweisaufnahme über die von der Originalherstellerin unter Zeugenbeweis gestellten Umsatzzahlen und Werbeaufwendungen bedarf es dafür nicht. Denn bereits der Umstand, dass die Koffer der Originalherstellerin mit dem die wettbewerbliche Eigenart begründenden Rillen-Design in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur seit Jahrzehnten auf dem Markt, sondern auch in nahezu jedem Fachgeschäft zu erwerben sind, genügt im Zusammenhang mit dem Umstand, dass es kein Wettbewerbsprodukt mit entsprechendem Design auf dem Markt gibt, für die Annahme der erforderlichen Bekanntheit. Auf eine Kenntnis der Bezeichnung des Originalherstellers kommt es dabei nicht an[19]. Es genügt die Vorstellung, dass das Erzeugnis von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen mag, oder von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in den Verkehr gebracht wurde[20]. Die Bekanntheit hat damit jedenfalls ein solches Maß erreicht, das sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen in einem relevanten Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe bejaht vorliegend das Bestehen einer unmittelbaren Herkunftstäuschung. Beim Vergleich der fraglichen Produkte ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Verkehr das Original und das Nachahmungsprodukt nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks gewinnt[21]. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als auf die Unterschiede ankommt[22]. Für die Annahme einer unmittelbaren Herkunftstäuschung kommt es nicht darauf an, dass alle Gestaltungsmerkmale des Produkts eines Mitbewerbers übernommen werden. Bei der Beurteilung eines Vergleichs nach dem Gesamteindruck kommt es vielmehr darauf an, dass gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sind, im Verkehr auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen. Dies ist vorliegend der Fall, da die Nachahmerin das Rillen-Design der Koffer der Originalherstellerin vollständig übernommen hat und die textile Struktur im Gesamteindruck dahinter zurücktritt.

Die Herkunftstäuschung auch vermeidbar. Eine Herkunftstäuschung ist dann vermeidbar, wenn sie durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann[23]. Die Verwendung einer textilen Struktur oder eine leicht abweichende Form des Koffers sind keine geeigneten Maßnahmen, eine Herkunftstäuschung zu vermeiden. Das gilt schon deshalb, weil die Originalherstellerin selbst das in Rede stehende Rillen-Design bei Koffern mit unterschiedlichen Formen, Größen und Farben verwendet. Auch das Hinzufügen der Herkunftskennzeichnung der Nachahmerinn ist nicht ausreichend. Nach der Rechtsprechung hängt die Frage, ob das Hinzufügen einer eigenen Herkunftskennzeichnung zumutbar und geeignet ist, eine Herkunftstäuschung auszuschließen, von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab[24]. Vorliegend ist die Herkunftskennzeichnung angesichts des hohen Grades der Nachahmung nicht ausreichend. Denn der Verkehr achtet bei einem Angebot von Koffern mehr auf die äußere Gestaltungsform des Koffers, als auf dessen Kennzeichnung. Vorliegend handelt es sich nicht um eine Maschine oder ein Gerät, sondern um ein bei einer Reise sichtbares Behältnis. Die Gestaltung von Koffern wird häufig aus größerer Entfernung oder unter Umständen wahrgenommen, die eine Lesbarkeit der auf den Koffern der Nachahmerinn angebrachten Unternehmensbezeichnung verhindern. Darüber hinaus schafft die gewählte Kennzeichnung – wenn sie wahrgenommen wird – auch keinen ausreichenden Abstand zu der Marke der Originalherstellerin. Dabei ist nicht entscheidend, ob zwischen dem Zeichen R(…) der Originalherstellerin und „Ro (…)“ eine markenrechtliche Zeichenähnlichkeit besteht. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat allein zu prüfen, ob mit der verwendeten Kennzeichnung der Nachahmerinn der durch die Nachahmung bewirkten Herkunftstäuschung hinreichend deutlich und in zumutbarem Maß entgegen gewirkt wird. Die Produktkennzeichnung ist aber angesichts der Umstände, dass beide Zeichen mit dem selben Anfangsbuchstaben beginnen, sich der Verkehr eher an dem Anfang eines Zeichenbestandteils als an den weiteren Bestandteilen orientiert und darüber hinaus beide Zeichen auch noch eine identische Silbenzahl aufweisen (3 Silben), nicht ausreichend, um einen hinreichenden Abstand zu dem vom Rillen-Design charakterisierten Produkt der Originalherstellerin zu schaffen.

Darüber hinaus ist der Nachahmerinn auch eine abweichende Produktgestaltung des von ihr vertriebenen Koffers zumutbar. Es besteht ein großer Freiraum für eine abweichende Gestaltung, selbst wenn es zur Versteifung an bestimmten Stellen einer Verdickung bedürfte.

Auch bei einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und einer Abwägung der einander widerstreitenden Interessen des Schöpfers der Leistungen (Originalprodukt) und des Nachahmers sowie der Interessen der Abnehmer und der Allgemeinheit[25] hat die Berufung der Nachahmerinn keinen Erfolg. Angesichts des Umstandes, dass von einer gestärkten wettbewerblichen Eigenart und einer fast identischen Nachahmung auszugehen ist, sind nach der ständigen Rechtsprechung geringere Anforderungen an die vermeidbare Herkunftstäuschung als besonderer Umstand zu stellen, der die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründet. Auch bei der gebotenen Gesamtabwägung ist deshalb das Vorliegen einer vermeidbaren Herkunftstäuschung zu bejahen.

Der Wettbewerbsverstoß begründet die Unterlassungs- und Auskunftsansprüche und rechtfertigt die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Nachahmerinn. Angesichts der Umstände steht nach der Überzeugung des Oberlandesgerichts fest, dass die Nachahmerin das Rillen-Design der Originalherstellerin bekannt war, als sie damit begann, Koffer mit der beanstandeten Gestaltung auf den Markt zu bringen. Sie hat deshalb jedenfalls fahrlässig gehandelt. Soweit die Nachahmerin geltend macht, eine Verurteilung zur Auskunft über den Verletzergewinn sei ausgeschlossen, kann dem nicht beigetreten werden. Die Auskunft dient der Vorbereitung zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruches. Der Umfang des zuzusprechenden Auskunftsanspruches wäre daher nur dann begrenzt, wenn ein Anspruch auf Gewinnherausgabe nicht in Betracht käme. Grundsätzlich aber steht dem Verletzten die Möglichkeit der dreifachen Schadensberechnung und damit auch die Möglichkeit einer Berechnung auf der Basis des vom Verletzer erzielten Gewinns zu. Keine Berechnungsmethode ist ausgeschlossen, selbst wenn man annähme, dass der Nachahmer zwar den Absatz des Originalherstellers behindern, ihm aber gegebenenfalls keine potentiellen Kunden wegnähme, weil er mit seinem preiswerteren Produkt andere Käuferschichten anspricht[26].

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 27. Februar 2013 – 6 U 11/11

  1. st. Rspr. BGH GRUR 2006, 329 Tz. 36 – Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem[]
  2. BGH GRUR 2008, 793 Tz. 26[]
  3. vgl. auch: BGH GRUR 2007, 339 Tz. 23 – Stufenleitern[]
  4. BGH GRUR 2012, 1155 Tz. 16 – Sandmalkasten; GRUR 2010, 80 Tz.19 ff – LIKEaBIKE; GRUR 2008, 793 Tz. 27 – Rillenkoffer; GRUR 2007, 339 Tz. 24 – Stufenleitern; GRUR 2007, 984 Tz. 14 – Gartenliege[]
  5. BGH GRUR 2007, 795 Tz. 25 – Handtaschen; GRUR 2008, 793 Tz. 29 – Rillenkoffer; GRUR 2010, 1125 Tz. 21 – Femur-Teil; GRUR 2012, 1155 Tz.19 – Sandmalkasten[]
  6. GRUR 2008, 793 Tz. 29 – Rillenkoffer[]
  7. BGH GRUR 1982, 305, 307 – Büromöbelprogramm; GRUR 1986, 673, 675 – Beschlagprogramm; GRUR 1999, 183, 186 – HaRa/HARIVA[]
  8. vgl. BGH GRUR 2008, 793 Tz. 28 – Rillenkoffer[]
  9. BGH GRUR 2007, 984 Tz. 23 – Gartenliege[]
  10. BGH GRUR 1986, 673, 675 -Beschlagprogramm; GRUR 2007, 339 Tz. 26 – Stufenleitern; BGH GRUR 2012, 1155 Tz. 34 – Sandmalkasten[]
  11. BGH GRUR 1996, 210, 211 – Vakuumpumpen; GRUR 2007, 339 Tz. 27 – Stufenleitern; GRUR 2009, 1073 Tz. 10 Ausbeinmesser; GRUR 2010, 1125 Tz. 22 – Femur-Teil[]
  12. OLG Urteil vom 06.02.2009 – 6 U 226/04[]
  13. BGH GRUR 2000, 521, 524 – Modulgerüst; GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil[]
  14. BGHZ 141, 329, 340 – Tele-Info-CD; BGH GRUR 2007, 795 Tz. 32 – Handtaschen; BGH GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil[]
  15. st. Rspr., vergl. nur BGH GRUR 2007, 984 Tz. 34 – Gartenliege[]
  16. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Auflage, § 4 Rn.09.41 a[]
  17. BGH GRUR 2006,79 Tz. 35-Jeans I[]
  18. BGH GRUR 2005, 166, 167 – Puppenausstattungen; GRUR 2007, 984 Tz. 34 – Gartenliege[]
  19. BGH GRUR 2006,79 Tz. 36 – Jeans I[]
  20. BGH GRUR 2007,339 Tz. 40 – Stufenleitern; GRUR 2007, 984 Tz. Tz. 32 – Gartenliege; GRUR 2009, 79 Tz. 31 – Gebäckpresse[]
  21. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Auflage § 4 Nr.09.43[]
  22. BGH GRUR 2007, 759 Tz. 34 – Handtaschen; GRUR 2010, 80 Tz. 41 – LIKEaBIKE[]
  23. BGHR GRUR 2005, 166,167 – Puppenausstattungen; GRUR 2007, 339 Tz. 43 – Stufenleitern; GRUR 2009, 1069 Tz. 12 – Knoblauchwürste[]
  24. BGH GRUR 2000, 521, 524 – Modulgerüst I, GRUR 2001, 443, 445 – Viennetta; GRUR 2002, 820, 822 – Bremszangen; GRUR 2002, 275, 277 – Noppenbahnen; GRUR 2005, 166, 170 – Puppenausstattungen[]
  25. vgl. zu dieser Abwägung: BGH GRUR 2001, 251, 253 f. – Messerkennzeichnung[]
  26. vgl. BGH GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo/Rolex I[]