Kopierpapier oder Printmedien?

Die Ware „Papier für Kopierzwecke“ und die Waren „Printmedien, nämlich Druckschriften, Druckerzeugnisse, insbesondere Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, Fotografien“ sind einander nicht ähnlich im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Kopierpapier oder Printmedien?

Die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist ebenso wie bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt[1].

Eine Verwechslungsgefahr ist allerdings ausgeschlossen, wenn die Waren oder Dienstleistungen einander nicht ähnlich sind. Eine absolute Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann selbst bei Identität der Zeichen nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden[2].

Danach besteht im hier entschiedenen Fall keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den hier in Rede stehenden Marken, weil die auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigende Ware „Papier für Kopierzwecke“ und die für die angegriffene Marke eingetragenen Waren „Printmedien, nämlich Druckschriften, Druckerzeugnisse, insbesondere Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, Fotografien“ einander nicht ähnlich sind.

Die Feststellung, ob eine Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen angenommen werden kann, liegt im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet. Sie kann daher im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter einen zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt und entsprechend den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung geurteilt hat und das gewonnene Ergebnis zudem von den getroffenen Feststellungen getragen wird[3].

Eine Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Waren ist grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen[4].

Von einer absoluten Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist[5].

Bei der Beurteilung der Frage der Warenähnlichkeit ist allerdings insbesondere der Verwendungszweck der Waren von Bedeutung; in diesem Zusammenhang kann ihre Eigenart als einander ergänzende Waren eine maßgebliche Rolle spielen[6]. Für den Verkehr liegt im Allgemeinen die Annahme nahe, dass sich ein Markeninhaber auch mit der Herstellung, dem Vertrieb oder der Lizenzierung funktionell nahestehender Produkte befasst, um seine vorhandenen Erfahrungen, Marktkenntnisse und Kundenbeziehungen weitergehend nutzen zu können[7].

Die Annahme, zwischen den hier in Rede stehenden Waren bestehe ein solcher funktionaler Zusammenhang, liegt allerdings fern. Die Widerspruchsmarke genießt keinen Schutz für die Ware „Papier“ schlechthin; vielmehr kann sie allein Schutz für die Ware „Papier für Kopierzwecke“ beanspruchen. Der Verwendungszweck der Ware „Papier für Kopierzwecke“ ist im Unterschied zum Verwendungszweck der Ware „Papier“ von vornherein beschränkt. Das Bundespatentgericht hat nicht festgestellt, dass ein Hersteller von Printmedien für die Herstellung seiner Druckschriften und Druckerzeugnisse und insbesondere von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern in der Regel Kopierpapier verwendet. Die Rechtsbeschwerde hat nicht geltend gemacht, das Bundespatentgericht habe entsprechenden Vortrag der Widersprechenden übergangen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass Kopierpapier wie die Rechtsbeschwerde geltend macht regelmäßig für die Produktion von Printmedien verwendet wird und einen erkennbaren und wertbildenden Bestandteil der produzierten Printmedien bildet.

Der Umstand, dass Printmedien auf Kopierpapier vervielfältigt werden können, ist nicht geeignet, die Vorstellung hervorzurufen, beide Waren stammten aus demselben Unternehmen oder zwischen dem Hersteller eines Printmediums und dem Produzenten von Kopierpapier bestünden wirtschaftliche Verbindungen.

Ein funktioneller Zusammenhang der Vergleichswaren ergibt sich auch nicht daraus, dass nach der Einführung des Digitaldrucks praktisch jedermann mit Hilfe eines Computers, eines Druckers und von Kopierpapier dazu in der Lage sei, Druckschriften oder Druckerzeugnisse herzustellen, die von in einem Druckbetrieb gefertigten Druckschriften oder Druckerzeugnissen kaum zu unterscheiden seien; wer Druckschriften und Druckerzeugnisse in einem Umfang herstellen und vertreiben wolle, der die Beauftragung einer Druckerei nicht rechtfertige, werde für ihre Herstellung folglich Kopierpapier verwenden.

Auch in einem solchen Fall wird der angesprochene Verkehr nicht annehmen, der Hersteller der Druckschrift oder des Druckerzeugnisses sei auch der Hersteller des Kopierpapiers. Der Beschluss des Bundespatentgerichts vom 04.04.2007[8] vermag die gegenteilige Auffassung nicht zu stützen. Diesem Beschluss lag eine andere Fallgestaltung zugrunde, bei der die Ware „Druckereierzeugnisse“ den Waren „Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien“ gegenüberstand[9].

Etwas anderes ergibt sich für den Bundesgerichtshof auch nicht daraus, dass der Vertrieb von „Papier zu Kopierzwecken“ und „Printmedien, nämlich Druckschriften, Druckerzeugnisse, insbesondere Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, Fotografien“ in denselben Verkaufsstätten erfolgen kann.

Richtig ist allerdings, dass die Vertriebswege der jeweiligen Waren sowohl nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Markenrechtsreformgesetz[10] als auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs[11] bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit zu berücksichtigen sind. Allerdings kommt den Verhältnissen beim Vertrieb der Waren häufig nur ein geringeres Gewicht zu[12].

Es gibt Geschäfte, in denen Verbraucher sowohl Printmedien als auch Kopierpapier erwerben können. Dieser Umstand begründet aber keine Ähnlichkeit dieser Waren. Der angesprochene Verkehr wird daraus, dass in einer Verkaufsstelle wie etwa einem Schreibwarengeschäft sowohl Zeitschriften, Zeitungen oder Bücher als auch Kopierpapier erworben werden können, erfahrungsgemäß nicht auf eine mögliche Herkunft der unterschiedlichen Waren aus demselben Betrieb oder von miteinander verbundenen Herstellern schließen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 3. Juli 2014 – I ZB 77/13

  1. st. Rspr.; vgl. nur EuGH, Urteil vom 18.12 2008 C16/06 P, Slg. 2008, I10053 = GRUR-RR 2009, 356 Rn. 45 f. Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; Urteil vom 24.06.2010 C51/09, Slg. 2010, I5805 = GRUR 2010, 933 Rn. 32 f. Barbara Becker; BGH, Urteil vom 05.12 2012 – I ZR 85/11, GRUR 2013, 833 Rn. 30 = WRP 2013, 1038 Culinaria/Villa Culinaria; Urteil vom 27.03.2013 – I ZR 93/12, GRUR 2013, 1150 Rn. 22 = WRP 2013, 1473 Baumann; Beschluss vom 06.11.2013 – I ZB 63/12, GRUR 2014, 488 Rn. 9 = WRP 2014, 580 DESPERADOS/DES-PERADO; Urteil vom 22.01.2014 – I ZR 71/12, GRUR 2014, 382 Rn. 14 = WRP 2014, 452 REAL-Chips, jeweils mwN[]
  2. st. Rspr.; vgl. nur EuGH, Urteil vom 29.09.1998 C39/97, Slg. 1998, I5507 = GRUR 1998, 922 Rn. 22 Canon; Urteil vom 07.05.2009 C398/07 P, GRUR Int.2009, 911 Rn. 34 Waterford Wedgwood/HABM [WATERFORD STELLENBOSCH]; BGH, Urteil vom 30.03.2006 – I ZR 96/03, GRUR 2006, 941 Rn. 13 = WRP 2006, 1235 TOSCA BLU; Beschluss vom 28.09.2006 – I ZB 100/05, GRUR 2007, 321 Rn.20 = WRP 2007, 321 COHIBA; Beschluss vom 13.12 2007 – I ZB 26/05, GRUR 2008, 714 Rn. 32 = WRP 2008, 1092 idw; Urteil vom 05.02.2009 – I ZR 167/06, GRUR 2009, 484 Rn. 25 = WRP 2009, 616 METROBUS; Urteil vom 19.04.2012 – I ZR 86/10, GRUR 2012, 1145 Rn. 34 = WRP 2012, 1392 Pelikan; BGH, GRUR 2014, 488 Rn. 12 DESPERADOS/DESPERADO, mwN[]
  3. BGH, Urteil vom 20.09.2007 – I ZR 94/04, GRUR 2007, 1066 Rn. 23 = WRP 2007, 1466 Kinderzeit; BGH, GRUR 2008, 714 Rn. 42 idw; GRUR 2014, 488 Rn. 12 DESPERADOS/DESPERADO[]
  4. vgl. EuGH, Urteil vom 11.05.2006 C416/04 P, Slg. 2006, I4237 = GRUR 2006, 582 Rn. 85 = WRP 2006, 1102 VITAFRUIT; EuGH, GRUR-RR 2009, 356 Rn. 65 Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH, GRUR 2007, 1066 Rn. 23 Kinderzeit; GRUR 2014, 488 Rn. 12 DESPERA-DOS/DESPERADO[]
  5. vgl. BGH, GRUR 2006, 941 Rn. 13 TOSCA BLU; GRUR 2007, 321 Rn.20 COHIBA; GRUR 2008, 714 Rn. 32 idw; GRUR 2009, 484 Rn. 25 METROBUS; GRUR 2012, 1145 Rn. 34 Pelikan; GRUR 2014, 488 Rn. 12 DESPERADOS/DESPERADO[]
  6. vgl. EuGH, GRUR 1998, 922 Rn. 23 Canon; BGH, Urteil vom 16.11.2000 – I ZR 34/98, GRUR 2001, 507, 508 = WRP 2001, 694 EVIAN/REVIAN; Urteil vom 19.02.2004 – I ZR 172/01, GRUR 2004, 594, 596 = WRP 2004, 909 Ferrari-Pferd[]
  7. BGH, GRUR 2014, 488 Rn. 15 DESPERA-DOS/DESPERADO; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rn. 735[]
  8. BPatG, Beschluss vom 04.04.2007 – 29 W [pat] 98/06[]
  9. vgl. BPatG, Beschluss vom 04.04.2007 29 W [pat] 98/06 23[]
  10. BT-Drs. 12/6581, S. 72[]
  11. vgl. BGH, GRUR 2006, 941 Rn. 13 TOSCA BLU; GRUR 2007, 1066 Rn. 23 Kinderzeit, GRUR 2008, 714 Rn. 32 idw[]
  12. vgl. BGH, GRUR 2014, 488 Rn. 16 DESPERADOS/DESPERADO; Ingerl/Rohnke aaO § 14 Rn. 742 und 744 mwN[]