Fusionen – und die Haustarifverträge

Wird ein Unternehmen, bei dem ein Haustarifvertrag gilt, nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auf ein anderes Unternehmen verschmolzen, gilt der Haustarifvertrag beim aufnehmenden – bisher tariflosen – Rechtsträger weiter. Dieser ist damit tarifgebunden iSv. § 3 Abs. 1 TVG, so dass der Haustarifvertrag grundsätzlich auch für die Arbeitsverhältnisse der bei ihm beschäftigten Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft gilt.

Fusionen – und die Haustarifverträge

Die aufnehmende Rechtsträgerin ist mit Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister am 26.07.2012 als aufnehmendes Unternehmen im Wege der Universalsukzession in die Stellung als Tarifvertragspartei des HTV eingetreten. Insoweit hat das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden, dass nicht nur bei der Verschmelzung im Wege der Neugründung gemäß § 2 Nr. 2 UmwG, sondern auch bei der Verschmelzung durch Aufnahme nach § 2 Nr. 1 UmwG wegen der vom Gesetz in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Gesamtrechtsnachfolge ein Firmentarifvertrag uneingeschränkt auf den neu gegründeten bzw. den aufnehmenden Rechtsträger übergeht[1]. Der aufnehmende Rechtsträger tritt in bestehende Verträge ein und wird damit Partei des für den übertragenden Rechtsträger geltenden Firmentarifvertrags[2]. Der Firmentarifvertrag wirkt danach kollektivrechtlich fort, mit der Folge, dass § 613a Abs. 1 BGB nicht zur Anwendung kommt[3].

Gegen diese Rechtsprechung wendet sich die aufnehmende Rechtsträgerin, die selbst die Geltung des HTV für die vormals bei der SWK GmbH beschäftigten IG Metall-Mitglieder annimmt, nicht. Sie bestreitet weder, Tarifvertragspartei des HTV zu sein, noch die aus dem HTV erwachsenden Pflichten, soweit sie gegenüber den – ehemaligen – Arbeitnehmern der SWK GmbH bestehen.

Die Verschmelzung der SWK GmbH auf die aufnehmende Rechtsträgerin führt zu der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Universalsukzession, dh. sie hat den Übergang des gesamten Vermögens einschließlich der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger zur Folge.

Der aufnehmende Rechtsträger tritt unmittelbar in die Rechtsposition des verschmolzenen Rechtsträgers „genau in der Art und Weise“ ein, wie sie im Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung bestand[4]. So gehen bspw. sowohl vom verschmolzenen Rechtsträger erteilte Vollmachten an Dritte als auch diesem von Dritten erteilte Vollmachten auf den aufnehmenden Rechtsträger über[5]. Ferner werden aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen eingeräumte Rechte und Pflichten, zB Auflagen, Genehmigungen, von der Gesamtrechtsnachfolge grundsätzlich erfasst[6]. Auch bei der Universalsukzession im Erbfall, deren Grundsätze entsprechend auf die umwandlungsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge anzuwenden sind[7], bildet ein Nachlass kein Sondervermögen in der Hand des Erben, sondern verschmilzt mit dem Eigenvermögen des Erben zu einer rechtlichen Einheit[8]. Dabei gehen nicht nur bereits begründete Rechte und Pflichten auf den Erben über, sondern grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Beziehungen, auch die „unfertigen“, noch werdenden und schwebenden Rechtsbeziehungen des Erblassers, also auch bedingte oder künftige Rechte, Bindungen und Lasten[9]. Für die Bestimmung der Reichweite einer übergegangenen Vertragsposition ist dabei die Auslegung der originären Vereinbarung von Bedeutung, so dass bspw. eine auf den Erben des Bürgen übergegangene Bürgschaftsverpflichtung auch neu entstehende Ansprüche gegen den Hauptschuldner erfasst, wenn sie in den Bereich der vom Erblasser übernommenen Verpflichtung fallen[10]. Dementsprechend dient die „Nutzung des Instituts der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge für die Verschmelzung“ dazu, eine umfassende Rechtsnachfolge in gleicher Weise sicherzustellen[11]. Die Person des bisherigen Vertragspartners wird „vollumfänglich“ ersetzt, indem der Gesamtrechtsnachfolger mit allen Rechten und Pflichten in die Position des bisherigen Vertragspartners einrückt[12], so als hätte das aufnehmende Unternehmen sie selbst vereinbart. Ausgenommen sind lediglich Ansprüche oder Verbindlichkeiten, deren Erlöschen ausdrücklich bestimmt ist oder die ihrer Natur nach nicht auf einen Gesamtrechtsnachfolger übergehen können[13]. Beschränkungen bestehen dabei im Grundsatz nur insofern, als sie dem „ursprünglichen Vertrag“ im Wege der Auslegung selbst zu entnehmen sind, wobei die nachfolgende Verschmelzung außer Betracht bleibt.

Bezogen auf die Rechtsfolgenanordnung in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ist der Firmentarifvertrag wie jeder andere Vertrag zu beurteilen[14]. Auch für ihn bewirkt die Gesamtrechtsnachfolge seine umfassende kollektivrechtliche (dynamische) Fortwirkung und damit ein Eintreten des aufnehmenden Unternehmens in alle sich aus einem Firmentarifvertrag des verschmolzenen Unternehmens ergebenden Rechte und Pflichten[15]. Hierzu gehören neben betrieblichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen auch Normen über gemeinsame Einrichtungen sowie schuldrechtliche Verpflichtungen, wie etwa die Friedenspflicht[16]. Soweit diese auf das verschmolzene Unternehmen lauten, tritt das aufnehmende Unternehmen an seine Stelle. Um die übergegangenen Rechte und Pflichten näher zu bestimmen, ist bei einem Firmentarifvertrag gedanklich die Bezeichnung des verschmolzenen Unternehmens jeweils durch diejenige des aufnehmenden Unternehmens zu substituieren.

Die Geltung des HTV erstreckt sich über die ursprünglich bei der SWK GmbH beschäftigten Mitglieder der Gewerkschaft hinaus jedenfalls auf die bei der aufnehmenden Rechtsträgerin schon vor dem 1.01.2014 beschäftigten Arbeitnehmer, die am 31.12 2013 Mitglied der Gewerkschaft waren und es noch sind. Zum einen hat die Verschmelzung nicht nur im Wortlaut der Geltungsbereichsbestimmung in § 1 HTV zu einer Anpassung geführt, nach der die aufnehmende Rechtsträgerin sowohl in Bezug auf die Stellung als Tarifvertragspartei als auch im Übrigen so an den HTV gebunden ist, als hätte sie ihn selbst abgeschlossen. Zum anderen enthalten die Regelungen des HTV keine Beschränkung der Tarifgeltung lediglich auf die ursprünglich bei der SWK GmbH beschäftigten Mitglieder der Gewerkschaft. Der HTV gilt nach der Verschmelzung nach seiner Geltungsbereichsbestimmung in § 1 „für alle in der [aufnehmenden Rechtsträgerin] beschäftigten Arbeiter/innen, Angestellten und Auszubildenden, die Mitglied der IG Metall sind“. Eine einschränkende Auslegung von § 1 HTV, wonach nur ein bestimmter Teil der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer der aufnehmenden Rechtsträgerin von seinem Geltungsbereich erfasst wird, kommt nicht in Betracht.

Der Wortlaut der tarifvertraglichen Geltungsbereichsregelung ist eindeutig unternehmens- und nicht betriebsbezogen.

Grundsätzlich werden Haustarifverträge, soweit nichts anderes bestimmt ist, in der Regel für alle Arbeitsverhältnisse des tarifschließenden Unternehmens vereinbart[17]. Soweit der Geltungsbereich sich ausdrücklich und ohne Einschränkung auf die Arbeitnehmer des tarifvertragschließenden Arbeitgebers erstreckt, erfasst er jeweils nicht nur die aktuellen – tarifgebundenen – Arbeitsverhältnisse, sondern – neben danach begründeten Arbeitsverhältnissen – auch die Arbeitnehmer später hinzukommender Betriebe des Arbeitgebers[18]. Dies gilt selbst bei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unvorhersehbaren Entwicklungen. Dementsprechend ist ein unternehmensweit geltender Firmentarifvertrag, der seinerseits den BAT in Bezug nimmt, auch auf solche Betriebe anzuwenden, die nach 1990 auf dem Gebiet der neuen Bundesländer zu dem Unternehmen hinzukamen, obwohl – wie das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich festgehalten hat – „beim Abschluss des [Tarifvertrags] im Jahr 1982 weder die Herstellung der Einheit Deutschlands noch die Existenz unterschiedlicher Tarifgebiete im öffentlichen Dienst absehbar waren“[19].

Nach dem klaren Wortlaut des HTV sollten alle Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse, die mit der SWK GmbH bestanden, in den Geltungsbereich des HTV einbezogen werden. Eine Beschränkung der Tarifgeltung auf Arbeitnehmer eines bestimmten Betriebs der SWK GmbH ist gerade nicht vereinbart worden. Es kann deshalb dahinstehen, ob und ggf. welche weiteren Betriebe die SWK GmbH zum Zeitpunkt der Verschmelzung betrieben hat.

Die Tarifsystematik sowie der Sinn und Zweck des HTV bieten keine Anhaltspunkte für einen vom Wortlaut abweichenden Willen der Tarifvertragsparteien, nach Zeit oder Ort bestimmte Arbeitsverhältnisse mit der SWK GmbH nicht mit dem HTV zu erfassen.

Soweit in einzelnen Tarifbestimmungen Bezug auf die Arbeitsbedingungen der aufnehmenden Rechtsträgerin genommen wird, zB bei der Zusicherung derselben Gewinnbeteiligung oder übertariflicher Lohnerhöhungen in § 8 HTV, lässt sich hieraus nichts für eine Einschränkung des Geltungsbereichs entnehmen. Arbeitnehmern der SWK GmbH, die nicht in einem von dieser zusammen mit der aufnehmenden Rechtsträgerin geführten gemeinsamen Betrieb, sondern in einem ausschließlich von der SWK GmbH allein geführten Betrieb beschäftigt waren, hätte ein hierauf gestützter Anspruch nicht mit dem Argument verweigert werden können, sie unterfielen nicht dem Geltungsbereich des HTV.

Auch aus der Auswahl der im HTV in Bezug genommenen Tarifverträge der Metallindustrie des Tarifgebiets Südbaden lassen sich keine Einschränkungen herleiten. In der Bezugnahme auf Tarifverträge in einem Anerkennungs-Haustarifvertrag sind die Tarifvertragsparteien nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls insoweit frei, als deren Geltungsbereich mit dem Geltungsbereich des verweisenden Tarifvertrags in einem engen sachlichen Zusammenhang steht, die Tarifvertragsparteien die Verweisungsbestimmungen jederzeit aufheben, modifizieren oder ersetzen können und nicht durch die Ausgestaltung der Kündigungsregelungen eine zeitlich zu lange Bindung eingehen[20]. Abgesehen davon, dass durch zahlreiche eigenständige und abweichende Regelungen, zB über die regelmäßige Arbeitszeit, zuschlagsfreie Mehrarbeit, die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit (§ 3 HTV), über eine Beschäftigungssicherung durch ein Verbot von betriebsbedingten Kündigungen (§ 4 HTV) usw., von einem Anerkennungstarifvertrag nur eingeschränkt ausgegangen werden kann, sind diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt, da es sich um die Tarifbedingungen der einschlägigen Branche im Tarifgebiet handelt, in der das Unternehmen seinen Sitz hatte. Soweit hier auch Arbeitnehmer in Betrieben einbezogen worden sind oder sein sollten, die außerhalb des Tarifgebiets liegen, ist dies nicht sachwidrig. Es kann ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers sein, in allen Betrieben seines Unternehmens dieselben Arbeitsbedingungen tariflich zu vereinbaren[21].

Eine Beschränkung des Geltungsbereichs lässt sich auch nicht aus einer – räumlich – eingeschränkten Tarifzuständigkeit der tarifschließenden Gewerkschaft folgern. Die Bezirke der IG Metall sind nicht tariffähig, sondern handeln beim Abschluss von Tarifverträgen für die IG Metall als Gesamtorganisation[22], so dass es auf die Tarifzuständigkeit der IG Metall als Gesamtorganisation ankommt[23]. Diese aber unterliegt in räumlicher Hinsicht bundesweit keinen Einschränkungen.

Die nach dieser Auslegung gewonnene Bestimmung des Geltungsbereichs des HTV erfährt auch nicht wegen der Besonderheiten der erfolgten Verschmelzung eine Anpassung.

Die oben unter 2 a dargelegten, allgemeinen Grundsätze gelten auch für die Regelung des Geltungsbereichs in § 1 HTV. Lässt sich der Geltungsbereichsbestimmung im Wege der Auslegung eine zeitliche, örtliche oder betriebliche Beschränkung entnehmen, gilt diese auch für den aufnehmenden Rechtsträger. Ist der Geltungsbereich in Bezug auf den tarifvertragschließenden Arbeitgeber uneingeschränkt unternehmensbezogen auszulegen, gilt dies auch für das aufnehmende Unternehmen. Entgegen der Auffassung der Revision kann deshalb auch nicht von einer „Ausweitung“ oder „Ausdehnung“ oder gar „Infizierung“ gesprochen werden[24]. Es geht nämlich nicht um eine Änderung des tarifvertraglichen Regelungsinhalts, sondern um die richtige Erfassung dieses – unverändert gebliebenen – Inhalts des HTV[25]. Insoweit handelt es sich um ein Problem der Regelanwendung mittels Auslegung und nicht der Regeländerung.

Die Erstreckung einer unternehmensbezogenen Geltungsbereichsbestimmung auf die zuvor bei dem aufnehmenden Rechtsträger begründeten Arbeitsverhältnisse ist als Rechtsfolge einer Universalsukzession ebenso hinzunehmen wie die Einbeziehung der von einem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse betroffenen Arbeitnehmer in einen bei einem übernehmenden Rechtsträger schon bestehenden Tarifvertrag[26].

Soweit das Landesarbeitsgericht die Geltung des HTV für die aufnehmende Rechtsträgerin ablehnt, folgt das Bundesarbeitsgericht dem nicht.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgt eine Beschränkung nicht aus der namentlichen Nennung der SWK GmbH in § 1 HTV. Hiermit wird nur in der allgemein üblichen Form der Rechtsträger namentlich benannt, auf dessen Unternehmen sich der Tarifvertrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezieht. Eine darüber hinausgehende Regelung enthält die Formulierung nicht. Für den Geltungsbereich nach Eintritt einer Gesamtrechtsnachfolge ergibt sich hieraus keinerlei Beschränkung.

Die weitere Begründung des Landesarbeitsgerichts, aus dem gemeinsamen Betrieb der aufnehmenden Rechtsträgerin und der SWK GmbH in S folge als geübte Praxis ein Nebeneinander von Arbeitsverhältnissen, für die der HTV galt bzw. nicht galt, und weiter, dass sich daran durch die Verschmelzung nichts ändern sollte, trägt nicht. Die von der Grundregel abweichende Auslegung kann damit nicht begründet werden. Bei einer Verschmelzung von Unternehmen tritt grundsätzlich eine Universalsukzession ein, ohne dass es eines ausdrücklich darauf gerichteten Willens der Parteien des Verschmelzungsvertrags bedarf. So können im Verschmelzungsvertrag die Rechtsfolgen der Universalsukzession grundsätzlich nicht, auch nicht hinsichtlich einzelner Gegenstände oder Verpflichtungen gegenüber Dritten ausgeschlossen werden[27]. Auch aus der Erklärung der Tarifvertragsparteien in § 9 HTV, mittelfristig einheitliche Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer der SWK GmbH und der aufnehmenden Rechtsträgerin anzustreben, lässt sich nicht schließen, sie wollten die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen im gemeinsamen Betrieb perpetuieren. Im Gegenteil lassen § 9 Nr. 3 HTV und § 8 Nr. 1 HTV das Interesse der Tarifvertragsparteien an einer Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen deutlich erkennen. Eine entsprechende Regelung hätte aber die rechtliche Möglichkeit der – ursprünglichen – Tarifvertragsparteien vorausgesetzt, für alle Mitarbeiter des gemeinsamen Betriebs einheitliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. Vor der Verschmelzung hätten einheitliche Arbeitsbedingungen jedoch nur unter Einbeziehung der aufnehmenden Rechtsträgerin hergestellt werden können. Dies ist nicht geschehen.

Schließlich kommt eine mit der Verschmelzung zusammenhängende einschränkende Auslegung der Geltungsbereichsbestimmung auch nicht aus allgemeinen Erwägungen in Betracht.

In der Literatur wird mit unterschiedlicher, teils widersprüchlicher Begründung bei einer Verschmelzung eine Beschränkung der Geltung eines Firmentarifvertrags auf die bisher tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse vertreten.

Dem liegt durchgehend die Auffassung zugrunde, der Geltungsbereich, den die Tarifvertragsparteien für den Firmentarifvertrag des später verschmolzenen Unternehmens vereinbart haben, könne sich generell nicht auf die Arbeitsverhältnisse eines – auch nur möglicherweise – den Arbeitgeber später aufnehmenden Unternehmens beziehen.

Unabhängig von der ursprünglichen Geltungsbereichsbestimmung, an die der aufnehmende Rechtsträger gebunden ist, wird eine Erstreckung des Geltungsbereichs des Firmentarifvertrags (generell) verneint[28]. Die kollektivrechtliche Fortgeltung eines Firmentarifvertrags könne auf der Grundlage einer Gesamtrechtsnachfolge den personellen Geltungsbereich des Tarifvertrags nicht ausweiten[29]. Für die aufnehmende Einheit weise der neu hinzutretende Firmentarifvertrag keine Regelungskompetenz auf, es fehle die Legitimationsgrundlage für eine Erstreckung[30]. Im Übrigen stelle eine Erstreckung auf das gesamte aufnehmende Unternehmen im Fall einer Umwandlung eine unzulässige Abrede zu Lasten Dritter dar und sei deshalb nicht möglich[31].

Ferner wird eingewandt, auch bei einer unternehmensbezogenen Ausgestaltung sei eine Auslegungsregel heranzuziehen, nach der sich ein Firmentarifvertrag regelmäßig nicht auch auf im Verschmelzungszeitpunkt beim aufnehmenden Unternehmen bestehende Betriebe und auf dessen schon beschäftigte Arbeitnehmer erstrecken könne[32]. Regelmäßig hätten die Parteien eines Firmentarifvertrags bei Vertragsschluss nicht an einen Umwandlungsfall gedacht und wollten lediglich eine für die spezifischen Bedürfnisse des Rechtsträgers adäquate Regelung treffen[33]. Diese Auslegungsregel gelte unabhängig davon, ob der übernehmende Rechtsträger anderweitig tarifgebunden sei oder nicht[34]. Nur so könne eine „Infizierung“ des aufnehmenden Rechtsträgers ausgeschlossen werden[35].

Schließlich wird eine Differenzierung bei den Rechtsfolgen je nach den beim aufnehmenden Rechtsträger vorgefundenen Verhältnissen befürwortet. Es sei danach zu unterscheiden, ob der Firmentarifvertrag beim verschmolzenen oder beim aufnehmenden Rechtsträger vereinbart worden war. Danach soll zwar der Firmentarifvertrag des verschmolzenen Unternehmens nur mit dem tatsächlichen Bestand an tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen auf den aufnehmenden Rechtsträger übergehen. Soweit jedoch der aufnehmende Rechtsträger, nicht dagegen das verschmolzene Unternehmen, an einen Firmentarifvertag gebunden ist, soll sich dessen Geltungsbereich auch auf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse erstrecken, wenn dessen Bestimmung grundsätzlich auch hinzukommende Betriebe erfasst[36]. Diese „Auslegungsregel“ solle aber nicht gelten, wenn die Tarifvertragsparteien selbst ausdrückliche Regelungen getroffen hätten, nach denen der Firmentarifvertrag in jeder denkbaren Konstellation für alle Betriebe des Arbeitgebers gelten solle[37].

Diese Überlegungen teilt das Bundesarbeitsgericht nicht.

Zwar erkennen die vorstehenden Ansichten im Falle einer Verschmelzung die kollektivrechtliche Fortgeltung eines Firmentarifvertrags beim aufnehmenden Rechtsträger an. In der Sache sollen jedoch die Rechtsfolgen der Universalsukzession für den aufnehmenden Rechtsträger beschränkt werden, indem insbesondere tarifliche Geltungsbereichsbestimmungen im Wege einer „teleologischen Auslegung“ reduziert werden.

Diese Absicht der Rechtsfolgenvermeidung rechtfertigt es jedoch nicht, den Auslegungsmaßstab für die Bestimmung des Geltungsbereichs zu verändern und eine dogmatisch nicht weiter begründete (Ausnahme-)Auslegungsregel zu etablieren.

Im Ausgangspunkt zutreffend weisen alle Auffassungen darauf hin, der Eintritt des aufnehmenden Unternehmens in die Tarifvertragsparteistellung eines verschmolzenen Unternehmens stelle kein Problem dar, wenn die Verschmelzung im Wege der Neugründung erfolgt[38] oder wenn der aufnehmende Rechtsträger – noch – keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigt[39]. In diesem Fall soll der Firmentarifvertrag für das aufnehmende Unternehmen ohne weiteres in vollem Umfang gelten. Damit wird die „Erstreckung“ des Geltungsbereichs auf das aufnehmende oder neue Unternehmen im Grundsatz anerkannt, auch wenn dies in der Sache zwingend bedeutet, dass die später einzustellenden Arbeitnehmer im aufnehmenden Unternehmen damit ebenfalls dem Tarifvertrag unterfallen, wenn sie Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft sind.

Eine Auslegung des Geltungsbereichs, die nach den konkreten Verhältnissen, die beim aufnehmenden oder neu entstandenen Unternehmen bestehen, unterscheidet, lässt sich jedoch nicht rechtfertigen. Die bei einer Universalsukzession gesetzlich angeordnete Gesamtrechtsnachfolge unterscheidet nicht nach den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen und Anknüpfungspunkten beim aufnehmenden Unternehmen. Der Bestand von Arbeitsverhältnissen oder die Gebundenheit an einen eigenen Tarifvertrag beim aufnehmenden Unternehmen kann nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen bei einer Universalsukzession führen.

Hinzu kommt, dass die Auffassung, die eine „Erstreckung“ des Geltungsbereichs auf alle nach der Verschmelzung bestehenden Arbeitsverhältnisse beim aufnehmenden Unternehmen bejaht, wenn dieses – anders als das verschmolzene Unternehmen – selbst an einen Firmentarifvertrag gebunden war, dies jedoch für die umgekehrte Konstellation, wie im Streitfall, ablehnt, inkonsequent ist. Zwar mögen einem aufnehmenden Rechtsträger keine großen Anpassungsprobleme entstehen, wenn er als Partei eines Firmentarifvertrags ein tarifloses Unternehmen auf sich verschmilzt und der Firmentarifvertrag dann auch die übergegangenen Arbeitsverhältnisse erfasst. Die gesetzlich angeordnete Gesamtrechtsnachfolge bei der Verschmelzung erlaubt jedoch eine Berücksichtigung derartiger bloß faktischer Verhältnisse beim aufnehmenden Rechtsträger mit der Folge einer gerade entgegengesetzten Auslegung der ursprünglichen Geltungsbereichsbestimmung nicht. In der Sache geht es um dieselbe Auslegungsfrage[40], die nicht anhand von externen und nachträglich herangezogenen Kriterien unterschiedlich beantwortet werden kann.

Eine Berücksichtigung der tarifrechtlichen Folgen bereits bei der Bestimmung des Umfangs einer umwandlungsrechtlich angeordneten Gesamtrechtsnachfolge ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht angezeigt[41].

Die Universalsukzession ist die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge der Verschmelzung. Ganz getrennt davon ist die Frage zu beurteilen, welche tarifrechtlichen Folgen sich aus dieser umwandlungsrechtlich geschaffenen Situation ergeben[42].

Die bloßen Interessen eines der Beteiligten, hier: des übernehmenden Rechtsträgers, können eine einschränkende Festlegung dessen, was von der gesetzlich angeordneten Gesamtrechtsnachfolge bei der Universalsukzession an Rechtspositionen umfasst wird, nicht begründen. Eine „unerwünschte Ausdehnung“ der Wirkung eines Haustarifvertrags ist kein hinreichender Grund für eine entsprechende Einschränkung[43]. Die Beseitigung oder Relativierung einer gesetzlich angeordneten Rechtsfolge bedarf einer hinreichenden rechtlichen Grundlage. An einer solchen fehlt es im Entscheidungsfall. Allein die Interessen des aufnehmenden Rechtsträgers reichen zur Begründung nicht aus. Es sind in Anlehnung an die Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage keine Gesichtspunkte erkennbar, die für den übernehmenden Rechtsträger beim Festhalten am Firmentarifvertrag zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnissen führen würden. Unabhängig davon, dass bei dieser Betrachtung die Interessen der anderen Tarifvertragspartei gänzlich unberücksichtigt bleiben, kann hiervon insbesondere angesichts der privatautonomen Entscheidung des aufnehmenden Unternehmens für die Verschmelzung und damit für die hiermit verbundenen Rechtsfolgen schon generell nur in ganz seltenen Ausnahmefällen ausgegangen werden. Dass ein Unternehmen eine rechtswirksame Verschmelzung vereinbart und durchführt und sich in der Folge darauf beruft, eine zwingende Folge der hierdurch herbeigeführten Universalsukzession möge nicht eintreten, dürfte unter rechtlichen Aspekten – regelmäßig – ohne Belang sein.

Gesetzlich vorgesehene Beschränkungen der Gesamtrechtsnachfolge in anderen Regelungen dienen in erster Linie dem Gläubigerschutz, ohne jedoch unmittelbar in den Übergang des Rechtsverhältnisses mit dem früheren und jetzt verschmolzenen Rechtsträger einzugreifen; sie räumen allenfalls nachträgliche Rechtspositionen ein, wie etwa das Verlangen einer Sicherheitsleistung (§ 22 UmwG), ggf. auch ein gesondertes Kündigungsrecht[44]. Soweit eine Schutzbedürftigkeit des aufnehmenden Unternehmens anerkannt wird, wird dieser in § 21 UmwG Rechnung getragen. Die Regelung greift die dort real anzutreffenden Folgeprobleme einer Universalsukzession auf und sieht für bestimmte „unvereinbare“ Verpflichtungen oder bei einer „schwere[n] Unbilligkeit“ eine Neubestimmung der Verpflichtungen des aufnehmenden Unternehmens vor. Dies gilt allerdings nur für bestimmte gegenseitige Verträge und dann nur in einem sehr eingeschränkten, dort näher bestimmten Abwicklungsstadium. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall weder hinsichtlich des Anwendungsbereichs noch hinsichtlich der dort vorausgesetzten Unvereinbarkeit oder schweren Unbilligkeit vor.

Außerhalb dieser Anpassungsmöglichkeiten besteht für den aufnehmenden Rechtsträger als Partner des privatautonom vereinbarten Verschmelzungsvertrags keine anerkannte Schutzbedürftigkeit, da er selbst entscheidend zu dem Eintritt der Rechtsfolge beigetragen hat[45] und im Übrigen vorher ausreichend Möglichkeiten zur interessenangepassten Vertragsgestaltung bestanden haben[46].

Soweit weiter eingewandt wird, es liege ein bereits – ex ante – eingeschränkter Inhalt der Willenserklärungen der Tarifvertragsparteien, die an eine Umwandlung nicht gedacht hätten, vor, ist dies schon aus systematischen Gründen unerheblich. Der Eintritt in die von dem verschmolzenen Unternehmen – uU lange Zeit vorher – vereinbarten Schuldverhältnisse im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass deren Vertragspartner bei der Vereinbarung auch die Möglichkeit einer Umwandlung in Betracht gezogen haben oder haben müssten. Eine solche Anforderung ist weder aus dem Umwandlungsrecht ieS noch aus einschränkenden Überlegungen zur Universalsukzession im Allgemeinen bekannt. Dabei kann dahinstehen, ob die von diesem Teil der Literatur angestrebte Rechtsfolge überhaupt zum Gegenstand einer wirksamen Vereinbarung gemacht werden kann, da die Rechtsfolgen der Universalsukzession nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auch für die Vertragspartner nicht abdingbar sind[47].

Unzutreffend ist auch die Annahme, dass die (ausdrückliche) Vereinbarung einer Erstreckung auf das gesamte aufnehmende Unternehmen für den Fall einer Umwandlung einen (Tarif-)Vertrag zu Lasten Dritter darstelle bzw. den Tarifvertragsparteien der übertragenden Einheit für die aufnehmende Einheit die Regelungskompetenz fehle. Dies ist schon deshalb nicht überzeugend, weil der aufnehmende Rechtsträger ausschließlich aufgrund seiner privatautonomen Entscheidung zum Abschluss des Verschmelzungsvertrags an den Haustarifvertrag des übertragenden Rechtsträgers gebunden wird. Dabei handelt es sich nach dem Wesen der Gesamtrechtsnachfolge ab diesem Moment nicht mehr um eine von einem personenverschiedenen Dritten eingegangene, sondern um eine eigene Bindung des Rechtsnachfolgers. Auch ein Legitimationsproblem liegt aus diesem Grunde nicht vor.

Soweit sich die aufnehmende Rechtsträgerin schließlich auf eine Verletzung ihrer sog. negativen Koalitionsfreiheit beruft, ist bereits der Schutzbereich des Grundrechts nicht tangiert. Die Koalitionsfreiheit ist bei der Gebundenheit an einen Haustarifvertrag von vornherein nicht betroffen, weil ein solcher keine Koalitionsmitgliedschaft bewirkt[48]. Auch dies ist lediglich die Konsequenz des durch die beteiligten Rechtsträger privatautonom geschlossenen Verschmelzungsvertrags[49].

Entgegen der Auffassung der aufnehmenden Rechtsträgerin folgt auch aus Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) iVm. der Richtlinie 2001/23/EG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen[50] kein anderes Ergebnis. Deren Anwendungsbereich ist nicht eröffnet.

Voraussetzung für die Anwendung der GRC ist nach Art. 51 Abs. 1 GRC die Durchführung des Rechts der Union. Dies ist nach der Rechtsprechung des EuGH dann der Fall, wenn mit der nationalen Regelung eine Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt wird, wenn mit ihr unter das Unionsrecht fallende Ziele verfolgt werden, wenn es eine Regelung des Unionsrechts gibt, die für diesen Bereich spezifisch ist oder ihn beeinflussen kann[51]. Dies ist bei der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht regelmäßig der Fall[52].

Dagegen sind die Grundrechte der Union im Verhältnis zu einer nationalen Regelung nicht anwendbar, wenn die unionsrechtlichen Vorschriften keine Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt schaffen[53]. Dem Anwendungsbereich der Charta unterliegt das Unionsrecht ausschließlich in den Grenzen der der Union übertragenen Zuständigkeiten[54].

Bei der Rechtsanwendung im Streitfall handelt es sich nicht um die Durchführung von Unionsrecht. Entgegen der Auffassung der aufnehmenden Rechtsträgerin ergibt sich dies nicht aus der RL 2001/23/EG. Der Streit der Parteien fällt nicht in deren Anwendungsbereich.

Die RL 2001/23/EG hat den Zweck, bei einem Wechsel des Inhabers eines Unternehmens oder Betriebs die hiervon betroffenen Arbeitnehmer zu schützen; insbesondere soll die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleistet werden[55]. Ungeachtet der Frage, ob und inwieweit dabei auch die Interessen des aufnehmenden Unternehmens einzubeziehen und ggf. gegen die Interessen der übergehenden Arbeitnehmer abzuwägen sind[56], trifft die RL 2001/23/EG ausschließlich Regelungen für die vom Veräußerer auf den Erwerber übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Im Rahmen der Prüfung der konkreten Rechtsfolgen für diese – ursprünglich beim Veräußerer vorhandenen – Arbeitsverhältnisse könnte damit auch Art. 16 GRC als Schranke des von der Richtlinie bezweckten Arbeitnehmerschutzes von Bedeutung sein.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Über die Bedingungen der auf die aufnehmende Rechtsträgerin infolge der Verschmelzung übergegangenen Arbeitsverhältnisse streiten die Parteien nicht. Zwischen ihnen geht es vielmehr um die Arbeitsbedingungen der schon vor dem Übergang bei der aufnehmenden Rechtsträgerin beschäftigten Arbeitnehmer. Die RL 2001/23/EG ist für die Frage der Erstreckung eines Haustarifvertrags auf die beim aufnehmenden Rechtsträger vorhandenen Arbeitnehmer ohne Bedeutung. Die aufnehmende Rechtsträgerin kann sich nicht auf einen „Schutz“ berufen, der zu ihren Gunsten durch die Richtlinie begründet und umzusetzen wäre. Der Anwendungsbereich der RL 2001/23/EG ist hinsichtlich der vorliegend allein zur Entscheidung anstehenden Frage somit nicht eröffnet.

Dies kann das Bundesarbeitsgericht selbst entscheiden, ohne den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zu ersuchen.

Ein nationales letztinstanzliches Gericht muss der Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV nachkommen, wenn sich in einem Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, die entscheidungserheblich ist und nicht bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union war (acte éclairé) und wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair)[57]. Dabei muss das Gericht sich hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen, etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren[58]. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines „acte clair“ bzw. eines „acte éclairé“ kommt dem letztinstanzlichen Hauptsachegericht ein Beurteilungsrahmen zu[59].

Danach besteht keine Vorlagepflicht. Es liegen keine vernünftigen Zweifel hinsichtlich der richtigen Anwendung von Art. 51 GRC bzw. der RL 2001/23/EG vor. Aus der RL 2001/23/EG sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH[60] ergibt sich eindeutig, dass die Richtlinie die Beziehungen des Erwerbers zu seinen schon vor dem Übergang vorhandenen Arbeitnehmern nicht regelt. Für ein gegenteiliges Verständnis finden sich weder im Richtlinientext noch in der hierzu ergangenen Rechtsprechung irgendwelche Anhaltspunkte. Solche sind von der aufnehmenden Rechtsträgerin auch nicht ausgeführt. Der gesamte Regelungskomplex ist erkennbar einzig darauf angelegt, den Übergang von Arbeitsverhältnissen zusammen mit dem Übergang einer ihre Identität wahrenden wirtschaftlichen Einheit anzuordnen und auszugestalten. Zu den beim Erwerber bereits vorhandenen Arbeitsverhältnissen schweigt die Richtlinie. Damit steht zweifelsfrei fest, dass hier keine unionsrechtliche Vorschrift eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt schafft und deshalb auch keine „Durchführung des Rechts der Union“ iSv. Art. 51 Abs. 1 GRC vorliegt. Selbst wenn man das im Hinblick auf die Reichweite von Art. 51 Abs. 1 GRC am weitesten gehende Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Åkerberg Fransson[61] zugrunde legt, folgt hieraus allenfalls, dass der Gerichtshof eine nationale Vorschrift, die nicht einmal zur Umsetzung einer europäischen Richtlinie oder im Hinblick auf andere sekundär- oder primärrechtliche Verpflichtungen erlassen worden ist, als „Durchführung des Rechts der Union“ iSv. Art.  51 Abs. 1 GRC begreift, solange die Vorschrift der Wahrung von Interessen dient, die durch Unionsrecht geschützt sind[62]. Die RL 2001/23/EG verfolgt jedoch gerade nicht den Zweck, die Rechtsbeziehungen in den Arbeitsverhältnissen zwischen dem Erwerber und seinen bereits vor einer Verschmelzung bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern zu regeln.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Juni 2016 – 4 AZR 805/14

  1. vgl. zur Verschmelzung im Wege der Neugründung BAG 24.06.1998 – 4 AZR 208/97, zu 2 a der Gründe, BAGE 89, 193; zur Verschmelzung durch Aufnahme 4.07.2007 – 4 AZR 491/06, Rn. 41 ff., BAGE 123, 213[]
  2. BAG 4.07.2007 – 4 AZR 491/06, Rn. 39, 41, aaO; 10.06.2009 – 4 ABR 21/08, Rn. 27; allg. Ansicht vgl. zB MünchKomm-BGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 613a Rn. 223; ErfK/Franzen aaO § 2 TVG Rn. 26; HWK/Willemsen/Müller-Bonanni aaO § 613a BGB Rn. 262; HWK/Henssler aaO § 3 TVG Rn. 47; Grau in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag 2. Aufl. Teil 15 Rn.198; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 4. Aufl. Teil E Rn. 101; Schaub/Ahrendt/Koch ArbR-HdB 16. Aufl. § 116 Rn. 14[]
  3. BAG 24.06.1998 – 4 AZR 208/97, zu 2 a, b der Gründe, aaO; Ahrendt RdA 2012, 129, 136 f.[]
  4. KK-UmwG/Simon § 2 Rn. 39[]
  5. Schmitt/Hörtnagl/Stratz UmwG UmwStG 6. Aufl. § 20 UmwG Rn. 36[]
  6. Grunewald in Lutter UmwG 5. Aufl. § 20 Rn. 13[]
  7. KK-UmwG/Simon § 2 Rn. 38; Teichmann in Lutter aaO § 131 Rn. 64 f.[]
  8. MünchKomm-BGB/Leipold 6. Aufl. § 1922 Rn. 126[]
  9. grdl. BGH 9.06.1960 – VII ZR 229/58, zu I 2 b der Gründe, BGHZ 32, 367; 30.06.1976 – VIII ZR 52/75, zu I 4 a der Gründe; 14.07.1997 – II ZR 122/96, zu 3 b der Gründe; für den Fall einer Vereinigung zweier Sparkassen 21.05.1980 – VIII ZR 107/79, zu III 1 der Gründe, BGHZ 77, 167; so auch Teichmann in Lutter aaO Rn. 64 ff.[]
  10. BGH 30.06.1976 – VIII ZR 52/75, zu I 4 der Gründe[]
  11. Teichmann in Lutter aaO Rn. 65[]
  12. Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1; Bange Fortgeltung von Kollektivverträgen bei Unternehmensumstrukturierung durch Umwandlung S. 147 f.; Teschner Firmentarifvertrag und Unternehmensumstrukturierung S. 186 ff.; Winzer Beeinflussung der Tarifgeltung durch den Arbeitgeber S.201 f., vgl. auch Staudinger/Annuß BGB (2016) § 613a Rn.201[]
  13. BAG 4.10.2005 – 9 AZR 598/04, zu 5 b aa der Gründe mwN, BAGE 116, 104; Schmitt/Hörtnagl/Stratz aaO § 20 UmwG Rn. 30[]
  14. Boecken SAE 2000, 162, 163[]
  15. Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1, S. 17 f.; DäublerTVG/Lorenz aaO § 3 Rn. 179[]
  16. Rieble aaO; Kempen/Zachert/Kempen TVG 5. Aufl. § 3 Rn. 156; Gaul/Otto BB 2014, 500 für die jedenfalls insoweit identische Gesamtrechtsnachfolge bei einer Aufspaltung mit entspr. Zuweisung im Spaltungs- und Übernahmevertrag[]
  17. JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 5 Rn. 51; Hromadka/Maschmann Arbeitsrecht Bd. 2 7. Aufl. § 13 Rn. 217[]
  18. Gaul/Otto BB 2014, 500, 504; Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1, S. 22 f.[]
  19. BAG 9.12 1999 – 6 AZR 299/98, zu II 2 b der Gründe, BAGE 93, 63; so auch Wiedemann/Wank aaO § 4 Rn. 123; ebenso für eine vergleichbare Konstellation BAG 28.04.1992 – 1 ABR 68/91, zu B II 2 der Gründe[]
  20. BAG 29.08.2007 – 4 AZR 561/06, Rn. 28; 9.07.1980 – 4 AZR 564/78, BAGE 34, 42, 50 f.; 10.11.1982 – 4 AZR 1203/79, BAGE 40, 327, 335[]
  21. vgl. zB die Konstellation bei BAG 21.10.2009 – 4 AZR 396/08 – bundesweite arbeitsvertragliche Verweisung auf die Metalltarifverträge des Bezirks des Unternehmenssitzes[]
  22. BAG 7.11.2000 – 1 AZR 175/00, zu 1 b ee der Gründe, BAGE 96, 208[]
  23. BAG 14.12 1999 – 1 ABR 74/98, zu B II 1 der Gründe, BAGE 93, 83[]
  24. vgl. zB Widmann/Mayer-Wälzholz Umwandlungsrecht Vorbem. zu §§ 321 ff. UmwG Rn. 29; Boecken SAE 2000 162, 165; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 102[]
  25. ähnlich Bange aaO S. 148[]
  26. wie hier Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1, S. 22 f.; Bange aaO S. 147 f.; Teschner aaO S. 186 ff.; Winzer aaO S.201 f.; vgl. auch Staudinger/Annuß aaO § 613a Rn.201; Gaul/Otto BB 2014, 500, 504 für die insoweit gleichgelagerte Konstellation bei der partiellen Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG; im Erg. auch Trappehl/Lambrich DB 1999, 291, wenngleich krit. zu den Folgen[]
  27. Semler/Stengel-Kübler UmwG 3. Aufl. § 20 Rn. 8; Grunewald in Lutter aaO § 20 Rn. 8; Böttcher/Habighorst/Schulte UmwR § 20 UmwG Rn. 5[]
  28. etwa Boecken SAE 2000, 162, 165; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz S.191; Picot/Schnitker Arbeitsrecht bei Unternehmenskauf und Restrukturierung Teil I Rn. 310: „immanenter Vorbehalt“[]
  29. Boecken aaO; vgl. auch Jacobs aaO[]
  30. Schubert Die Behandlung kollektivvertraglicher Normenkollisionen nach Verschmelzung und Spaltung von Unternehmen S. 264[]
  31. Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn.202[]
  32. Wiedemann/Oetker § 3 Rn.194; Däubler RdA 1995, 136, 140; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 102; Sieg/Maschmann Unternehmensumstrukturierung aus arbeitsrechtlicher Sicht 2. Aufl. Rn. 273; Jacobs NZA Beilage 2009, 45, 46; Boecken SAE 2000, 162, 165; Baeck/Winzer NZG 2013, 655, 657 [„im Zweifel“]; Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn.201; JKOS/Oetker aaO § 6 Rn. 145; Schubert aaO S. 264; Trittin in Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung und Betriebsübergang 4. Aufl. § 5 Rn. 108; Müller-Bonanni/Mehrens ZIP 2012, 1217, 1218[]
  33. Trittin aaO; ähnlich Baeck/Winzer aaO; Noltin Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr.20, S. 38[]
  34. JKOS/Oetker aaO[]
  35. Hohenstatt aaO; Baeck/Winzer aaO[]
  36. Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn.205; Baeck/Winzer aaO; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 106[]
  37. etwa Hohenstatt aaO Teil E Rn. 102; Baeck/Winzer aaO; vgl. auch die Konstellation bei BAG 29.08.2001 – 4 AZR 332/00, BAGE 99, 10 mit der ausdrücklichen firmentarifvertraglichen Erstreckung des Geltungsbereichs auf „etwaige Gesamtrechts- und/oder Teilrechtsnachfolger der vertragschließenden Parteien“[]
  38. so die Konstellation bei BAG 24.06.1998 – 4 AZR 208/97, BAGE 89, 193[]
  39. zB Baeck/Winzer aaO; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 101[]
  40. so zutr. Staudinger/Annuß aaO § 613a Rn.201[]
  41. ebenso Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1; Winzer aaO S.201; Teschner aaO S. 172 ff.; vgl. auch Staudinger/Annuß aaO § 613a Rn.201[]
  42. so schon BAG 4.07.2007 – 4 AZR 491/06, Rn. 42, BAGE 123, 213; ebenso Schmitt/Hörtnagl/Stratz aaO § 20 UmwG Rn. 107; Ahrendt RdA 2012, 129, 137; Schorb ArbR 2011, 161, 163[]
  43. so aber Hergenröder AR-Blattei SD 500.2 Rn. 91, ähnlich im Duktus Baeck/Winzer aaO: „… nicht sachgerecht erscheint …“[]
  44. dazu Rieble ZIP 1997, 301, 305; Semler/Stengel-Kübler aaO § 20 Rn. 12[]
  45. Schmitt/Hörtnagl/Stratz aaO § 21 UmwG Rn. 2; Grunewald in Lutter aaO § 20 Rn. 56; MünchKomm-BGB/Roth/Schubert 6. Aufl. § 242 Rn. 468 f.[]
  46. vgl. dazu zB Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 103; Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn.198; Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1; Braun ArbRB 2008, 83[]
  47. Grunewald in Lutter aaO § 20 Rn. 8 mwN[]
  48. BAG 4.07.2007 – 4 AZR 491/06, Rn. 47, BAGE 123, 213; zust. Boecken SAE 2000, 162, 163; Ahrendt RdA 2012, 129, 136; Hergenröder AR-Blattei SD 500.2 Rn. 86[]
  49. so zutreffend Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn.198; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 103[]
  50. RL 2001/23/EG[]
  51. EuGH 6.03.2014 – C-206/13 – [Siragusa] Rn. 25; 8.11.2012 – C-40/11 – [Iida] Rn. 79[]
  52. vgl. EuGH 15.01.2014 – C-176/12 – [AMS] Rn. 43; ErfK/Wißmann aaO Vorbemerkung zum AEUV Rn. 5a mwN[]
  53. EuGH 10.07.2014 – C-198/13 – [Hernández] Rn. 35; 13.06.1996 – C-144/95 – [Maurin] Rn. 12, Slg. 1996, I-2909[]
  54. EuGH 8.11.2012 – C-40/11 – [Iida] Rn. 78[]
  55. dazu ausf. BAG 17.06.2015 – 4 AZR 61/14 (A), Rn. 33, BAGE 152, 12[]
  56. vgl. dazu einerseits EuGH 18.07.2013 – C-426/11 – [Alemo-Herron] Rn. 25; andererseits BAG 17.06.2015 – 4 AZR 61/14 (A), Rn. 33 ff., aaO[]
  57. vgl. BVerfG 29.05.2012 – 1 BvR 3201/11, Rn. 22[]
  58. BVerfG 15.01.2015 – 1 BvR 499/12, Rn. 9[]
  59. BVerfG 15.01.2015 – 1 BvR 499/12, Rn. 8[]
  60. vgl. die ausf. Nachw. in BAG 17.06.2015 – 4 AZR 61/14 (A), Rn. 33 und 61, BAGE 152, 12[]
  61. EuGH 26.02.2013 – C-617/10; vgl. dazu krit. BVerfG 24.04.2013 – 1 BvR 1215/07, Rn. 91, BVerfGE 133, 277[]
  62. vgl. Bergmann Handlexikon der Europäischen Union 5. Aufl. Akerberg Fransson, Urteil[]