Verschmelzung einer GmbH auf das Einzelunternehmen des Alleingesellschafters – und der Übernahmeverlust

Die Regelung in § 18 Abs. 2 UmwStG 2002, wonach ein Übernahmegewinn oder -verlust gewerbesteuerlich nicht zu erfassen ist, ist mit dem GG vereinbar.

Verschmelzung einer GmbH auf das Einzelunternehmen des Alleingesellschafters – und der Übernahmeverlust

Der auf der Verschmelzung beruhende Übernahmeverlust bleibt für gewerbesteuerrechtliche Zwecke nach § 18 Abs. 2 UmwStG 2002 unberücksichtigt. Dort heißt es, dass ein Übernahmegewinn oder -verlust nicht zu erfassen ist. Diese Regelung ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab für Regelungen des Gesetzgebers im Unternehmenssteuerrecht, die einen Verlustabzug einschränken oder ausschließen, ist Art. 3 Abs. 1 GG.

Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird für den Bereich des Steuerrechts und insbesondere für den des Einkommensteuerrechts vor allem durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt[1]. Im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen Lastengleichheit hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die objektive finanzielle Leistungsfähigkeit nach dem Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den beruflichen Erwerbsaufwendungen andererseits zu bemessen (objektives Nettoprinzip)[2]. Das BVerfG hat bisher offengelassen, ob dieses objektive Nettoprinzip, wie es in § 2 Abs. 2 EStG zum Ausdruck kommt, Verfassungsrang hat; jedenfalls kann der Gesetzgeber dieses Prinzip bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen und sich dabei generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen[3]. Danach bedürfen Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes[4].

Das objektive Nettoprinzip gilt auch für die Gewerbesteuer, weil die Gewerbesteuer im Hinblick auf die Bemessung des Gewerbeertrags nach den Vorschriften des EStG und des KStG (§ 7 Satz 1 GewStG) ebenso wie die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer an die Ertragskraft des Unternehmens anknüpft[5]. Allerdings bedingt der Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer in bestimmten Bereichen Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips[6].

Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, dass ein Übernahmeverlust für gewerbesteuerrechtliche Zwecke nicht zu erfassen ist, soweit er auf einem negativen Wert des übertragenen Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft beruht.

Dieser von § 18 Abs. 2 UmwStG 2002 mitumfasste Regelungsinhalt fügt sich nahtlos in das Verlustabzugssystem des Gewerbesteuerrechts ein, wonach ein Verlustabzug nach § 10a GewStG voraussetzt, dass sowohl die sog. Unternehmensidentität als auch die sog. Unternehmeridentität gegeben ist. Dabei bedeutet Unternehmeridentität, dass der Steuerpflichtige, der den Verlustabzug in Anspruch nimmt, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten haben muss[7].

Im Regelfall wird der negative Wert des übertragenen Betriebsvermögens auf Verlusten beruhen, die von der Kapitalgesellschaft erwirtschaftet wurden. Bei deren Verschmelzung auf einen übernehmenden Rechtsträger erlischt die Kapitalgesellschaft; es kommt zu einem vollständigen Unternehmerwechsel. § 18 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2002 ordnet daher systemgerecht an, dass der Gewerbeertrag des übernehmenden Rechtsträgers nicht um die vortragsfähigen Verluste der übertragenden Körperschaft i.S. des § 10a GewStG gekürzt werden darf[8]. Es ist daher auch folgerichtig, beim übernehmenden Rechtsträger eine gewerbesteuerrechtliche Nutzung von Übernahmeverlusten, die im Ergebnis auf von der Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Verlusten beruhen, auszuschließen.

§ 18 Abs. 2 UmwStG 2002 durchbricht das objektive Nettoprinzip, soweit der Übernahmeverlust auf dem vom Kläger getragenen Beteiligungsaufwand beruht. Dieser Verstoß ist jedoch sachlich gerechtfertigt.

§ 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 erklärt -vorbehaltlich des Abs. 2- § 4 UmwStG 2002 für die Ermittlung des Gewerbeertrags insgesamt für anwendbar. Das sich aus der Verschmelzung beim übernehmenden Rechtsträger anzusetzende Übernahmeergebnis ist daher nach § 4 Abs. 4 bis 7 UmwStG 2002 zu berechnen. § 4 Abs. 4 UmwStG 2002 führt bei einem negativen Wert des übertragenen Betriebsvermögens dazu, dass sich der -beim Gewerbeertrag nach § 18 Abs. 2 UmwStG 2002 nicht zu erfassende- Übernahmeverlust um den Beteiligungsaufwand erhöht; der Beteiligungsaufwand bleibt daher unberücksichtigt. Insoweit liegt ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip vor, allerdings sachlich gerechtfertigt, weil er die folgerichtige Kehrseite der gewerbesteuerrechtlichen Nichtberücksichtigung eines Übernahmegewinns ist.

Übernahmegewinne werden im Gewerbesteuerrecht bereits seit dem Gesetz zur Änderung des Umwandlungssteuerrechts vom 28.10.1994[9] nicht mehr erfasst (vgl. § 18 Abs. 2 UmwStG 1995 in dieser Fassung). Die Materialien zu diesem Gesetz enthalten zwar -soweit ersichtlich- keine Begründung dafür, weshalb der Gesetzgeber auf die gewerbesteuerrechtliche Erfassung des Übernahmegewinns verzichtet hat. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs besteht der Zweck dieser Regelung aber darin, eine Mehrfachbelastung ein und desselben Gewinns mit Gewerbesteuer -zum einen auf Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft und zum anderen auf Ebene des übernehmenden Rechtsträgers- zu vermeiden[10]. Hierbei handelt es sich um ein legitimes Ziel des Gesetzgebers.

Wäre der Übernahmegewinn nicht von der Gewerbesteuer freigestellt, ergäbe sich bei einer Verschmelzung der Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder natürliche Person folgende Situation: Bei vorhandenen stillen Reserven im Vermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft entsteht auf Ebene der Kapitalgesellschaft ein (voll) gewerbesteuerpflichtiger Übertragungsgewinn nach § 3 UmwStG 2002, wenn die Kapitalgesellschaft in ihrer Schlussbilanz die Teilwerte ansetzt[11]. Zugleich entsteht beim übernehmenden Rechtsträger -vorausgesetzt er unterliegt der Gewerbesteuer- ein Übernahmegewinn nach § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002. Seit Einführung des Halbeinkünfteverfahrens (01.01.2001) ist dieser Übernahmegewinn gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 UmwStG 2002 noch immer (in den Grenzen des Halbeinkünfteverfahrens) zu besteuern, wenn er auf eine natürliche Person entfällt[12]. Im Übrigen ist ein Übernahmegewinn in voller Höhe steuerfrei (§ 4 Abs. 7 Satz 1 UmwStG 2002). Bei vorhandenen offenen Reserven im Vermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft sind diese bereits mit Gewerbesteuer belastet. Ein gewerbesteuerpflichtiger Übertragungsgewinn kann sich zwar nach § 3 UmwStG 2002 nicht ergeben. Es entsteht aber ein Übernahmegewinn nach § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002, weil der Buchwert der übernommenen Wirtschaftsgüter (um die offenen Reserven) höher ist als der Buchwert der Anteile[13]. Für die Besteuerung des Übernahmegewinns würde wiederum § 4 Abs. 7 UmwStG 2002 eingreifen.

Nach alledem handelt es sich bei § 18 Abs. 2 UmwStG 2002 weiterhin -jedenfalls soweit der Übernahmegewinn auf eine natürliche Person entfällt- um eine sachliche Steuerbefreiung[14].

Ein Übernahmeverlust wird hingegen typischerweise dann entstehen, wenn die Anteile an der umgewandelten Kapitalgesellschaft zwischen ihrer Gründung und der Umwandlung veräußert worden sind und der Erwerber der Anteile die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern mitbezahlt hat. Werden bei der Verschmelzung nach § 3 UmwStG 2002 die Buchwerte angesetzt, entsteht nach § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002 ein Übernahmeverlust.

Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber -ausgehend vom Gesetzeszweck der Vermeidung einer gewerbesteuerrechtlichen Mehrfachbelastung- umgekehrt erreichen wollte, dass die im Vermögen der übertragenden Körperschaft befindlichen stillen Reserven infolge einer Verschmelzung nicht insgesamt der Gewerbesteuer entzogen werden. Diese Möglichkeit bestand, weil Übernahmeverluste nach § 4 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 UmwStG 1995 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997[15] -der Vorgängerregelung von § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 (= UmwStG 1995 i.d.F. des StSenkG 2001/2002)- in gewissen Grenzen steuerrechtlich, insbesondere durch das sog. Step-Up-Modell, genutzt werden konnten. Folge hiervon war, dass der Erwerber der Beteiligung im Wege einer postaquisitorischen Umwandlung die in den Wirtschaftsgütern der Kapitalgesellschaft enthaltenen stillen Reserven steuerfrei vereinnahmen konnte[16]. Diese Möglichkeit wurde für die Gewerbesteuer bereits durch § 18 Abs. 2 UmwStG 1995 i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999[17] mit Wirkung ab dem 1.01.1999 beseitigt[18]. Diese Bestimmung lautete: „Ein Übernahmegewinn oder ein -verlust ist nicht zu erfassen. Eine Aufstockung der Buchwerte nach § 4 Abs. 6 findet für die Gewerbesteuer nicht statt.“ Das gesetzgeberische Anliegen -die gewerbesteuerrechtliche Verstrickung der im Vermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft befindlichen stillen Reserven (jedenfalls innerhalb einer bestimmten Haltefrist) aufrechtzuerhalten- kommt auch in § 18 Abs. 4 UmwStG 2002 zum Ausdruck.

Nach alledem ist es nicht zu beanstanden, dass der vom Kläger getragene Beteiligungsaufwand bei Ermittlung des Gewerbeertrags nicht erfasst wird. Der Gesetzgeber hat -unter Verfolgung berechtigter Ziele- das Übernahmeergebnis für Zwecke der Gewerbesteuer insgesamt für unbeachtlich erklärt. Es ist daher folgerichtig, dass sowohl die durch den Vermögensübergang verursachten Betriebseinnahmen (Übernahmewert der übertragenen Wirtschaftsgüter) als auch die hierdurch verursachten Betriebsausgaben (Beteiligungsaufwand) nicht berücksichtigt werden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. November 2015 – III R 12/13

  1. vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, unter D.I., m.w.N.[]
  2. vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.11.1998 – 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 290 f., BStBl II 1999, 502, 505[]
  3. vgl. z.B. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 127, 224, unter D.III. 1.a, m.w.N.[]
  4. z.B. BVerfG, Urteil vom 09.12 2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, unter C.I. 3.a, m.w.N.[]
  5. BVerfG, Beschluss vom 15.01.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, Rz 112 ff.[]
  6. BFH, Urteil vom 20.09.2012 – IV R 36/10, BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498, Rz 30[]
  7. vgl. BFH, Urteil vom 22.01.2009 – IV R 90/05, BFHE 224, 364, unter II. 1.a, m.w.N.[]
  8. vgl. Trossen in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, a.a.O., § 18 Rz 34[]
  9. BGBl I 1994, 3267[]
  10. Schnitter in Frotscher/Maas, a.a.O., § 18 UmwStG Rz 62; Rödder/Momen, DStR 1996, 1799, 1801[]
  11. vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, a.a.O., 4. Aufl., § 3 UmwStG Rz 53, 96; Benkert/Menner in Haritz/Benkert, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl., § 18 Rz 13 ff.[]
  12. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, a.a.O., 4. Aufl., § 18 UmwStG Rz 19[]
  13. vgl. Rödder/Momen, DStR 1996, 1799, 1801; vgl. auch Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, a.a.O., 4. Aufl., § 4 UmwStG Rz 81[]
  14. vgl. BFH, Beschluss vom 09.01.2009 – IV B 27/08, BFHE 224, 115, BStBl II 2011, 393, Rz 13, 17[]
  15. BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928[]
  16. vgl. Hey, GmbH-Rundschau 2001, 993, 996[]
  17. BGBl I 1999, 402[]
  18. vgl. BFH, Urteil vom 20.06.2000 – VIII R 5/99, BFHE 191, 571, BStBl II 2001, 35[]