Frühestens im März des Jahres 2015 kann der seit über 47 Jahren inhaftierte „Mittagsmörder“ auf Bewährung entlassen werden.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht im November 2011 eine Entscheidung aufhob, mit der das Oberlandesgericht Nürnberg es zunächst abgelehnt hatte, den Rest der lebenslangen Freiheitstrafe zur Bewährung auszusetzen, folgt das Oberlandesgericht nun den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in dem hier vorliegenden Fall eines heute 72 Jahre alten Mannes, der sich wegen mehrerer Morde in Haft befindet. Mit Beschluss vom 29. November 2011 hat das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 2. August 2010, mit der die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt worden war, aufgehoben.
In den Jahren 1962 und 1963 hatte der Verurteilte zwei Sparkassen und ein Waffengeschäft überfallen und dabei vier Menschen getötet. Weiterhin hatte er 1965 den Hausmeister eines Bekleidungsgeschäfts ermordet, als dieser ihn nach dem Diebstahl einer Handtasche verfolgte. Mit Urteil vom 27.07.1967 hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth den damals 26-jährigen Angeklagten deshalb wegen fünf sachlich zusammentreffender Verbrechen des Mordes, vier davon in Tateinheit mit drei Verbrechen des besonders schweren Raubes zu lebenslangem „Zuchthaus“ verurteilt. Im Jahr 1987 wurde diese Strafe in lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe umgewandelt. Von ihm beantragte Lockerungen des Vollzugs, z. B. die Gewährung von Ausgang und Urlaub, wurden bislang abgelehnt. Nunmehr strebte er die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung und seine Entlassung an.
In seinen Gründen betont das Oberlandesgericht Nürnberg, dass auch derjenige, der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, von Gesetzes wegen ein Recht darauf hat, dass die Vollstreckung des Rests der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, wenn die Schwere der Schuld eine weitere Inhaftierung nicht gebietet und eine Entlassung auf Bewährung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Letzteres verlangt von den Richtern, dass sie eine Prognose über das zukünftige Verhalten des zu Entlassenden treffen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung vom November 2011 ausgeführt, dass für diese Prognose in Fällen jahrzehntelanger Inhaftierung von besonderer Bedeutung ist, wie sich der Verurteilte im Rahmen von Vollzugslockerungen verhält. Als Vollzugslockerungen sind beispielsweise begleitete oder unbegleitete Ausgänge denkbar. Dem Verurteilten müsse Gelegenheit gegeben werden, sich bei solchen Belastungsproben zu bewähren.
Ein vom Oberlandesgericht Nürnberg eingeholtes psychiatrisches Sachverständigengutachten kommt zu dem Ergebnis, dass solche Vollzugslockerungen bei dem Verurteilten grundsätzlich verantwortbar seien. In Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Gutachters hat das Gericht für eine zweijährige Erprobungsphase, die einer etwaigen Entlassung vorausgehen soll, eine Reihe begleitender Maßnahmen angeordnet. Diese sollen den Verurteilten bei seiner Vorbereitung auf ein Leben in Freiheit unterstützen. So wird ihm unter anderem schon jetzt ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt und er wird psychotherapeutisch begleitet.
Sollten sich in der Erprobungsphase Anhaltspunkte dafür ergeben, dass von dem Verurteilten im Falle einer Entlassung eine erhebliche Gefahr ausgehen würde, kann die Entlassungsentscheidung wieder aufgehoben werden.
Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 17. August 2012 – 2 Ws 172/10

