Strafbarkeit der Firmenbestattung

Mit der Strafbarkeit wegen Bankrotts (§ 283 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 8 StGB) in Fällen der sogenannten „Firmenbestattung“ hatte sich jetzt der Bundesgerichtshof zu befassen.

Strafbarkeit der Firmenbestattung

Anlass hierzu bot dem Bundesgerichtshof ein Fall aus Rostock: Die Strafkammer des Landgerichts Rostock hat festgestellt, beherrschte Gesellschaften unter Einschaltung eines sog. Firmenbestatters verdeckt zu liquidieren. Zum jeweils geplanten Ende des Unternehmens sollten Forderungen der Gläubiger – insbesondere die in betrügerischer Absicht durch Stoßbetankungen der Fahrzeuge begründeten – nicht mehr erfüllt und die unternehmerische Tätigkeit mit einer Nachfolgegesellschaft fortgeführt werden. Dazu bediente sich der Angeklagte M. eines in Berlin ansässigen Dienstleistungsunternehmens – des sog. Firmenbestatters , das gegen ein von den Angeklagten zu zahlendes Entgelt die Abwicklung übernahm. Teil dieser Dienstleistung war es, Personen zu finden – im internen Sprachgebrauch „Strohgeschäftsführer“ genannt , auf die die Geschäftsanteile zum Kaufpreis von einem Euro übertragen wurden und die das Amt des Geschäftsführers übernahmen. Diese veräußerten die Anteile nach wenigen Wochen an im europäischen Ausland lebende Personen weiter, die sich – teilweise nach Umfirmierung der Gesellschaft, die der weiteren Verschleierung diente – wiederum als Geschäftsführer einsetzen ließen. Auch diese Personen wählte der Firmenbestatter aus und wies sie an, wie sie sich bei den notariell beurkundeten Anteilsübertragungen und Geschäftsführerbestellungen zu verhalten hatten. Bei etwaigen Nachfragen von Gläubigern bereitete der Firmenbestatter – in der Regel hinhaltende – Schreiben vor, die von den neuen Geschäftsführern unterschrieben werden mussten; zum Teil leisteten sie auch Blankounterschriften, die für solche Zwecke verwendet wurden. Für ihre Bereitschaft, als „Strohgeschäftsführer“ zu agieren, erhielten die ausgewählten Personen, bei denen es sich regelmäßig um Rentner oder Empfänger von Arbeitslosengeld II handelte, einmalige Zahlungen in Höhe von 500 oder 1.000 €. Sie waren sämtlich nicht in der Lage, ein Speditionsunternehmen zu führen und hatten daran auch kein Interesse.

Im Vorfeld der Anteilsübertragungen vernichteten und/oder versteckten die Angeklagten teilweise Geschäftsunterlagen, teilweise wurden diese auch an den Firmenbestatter übergeben, ohne dass sie allerdings den neuen Geschäftsführern zum Zwecke der Fortführung der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden; sie sollten vielmehr dem Zugriff der Gläubiger und eines etwaigen Insolvenzverwalters dauerhaft entzogen werden. Ein Teil der Unterlagen wurde aus diesem Grund – neben denen anderer Gesellschaften – ungeordnet auf Paletten an einen der „Strohgeschäftsführer“ in Griechenland versandt.

Die Geschäfte der auf diese Weise übertragenen Gesellschaften führte ein ebenfalls von dem Angeklagten M. beherrschtes Nachfolgeunternehmen weiter, das – jedenfalls soweit erforderlich – die Fahrzeuge und das Personal und teilweise auch die Büroausstattung und die räumlichkeiten übernahm. Mit der Liquidation dieser Unternehmenswerte waren die Angeklagten jeweils noch nach den Anteilsübertragungen befasst. Ebenso wurden die in betrügerischer Absicht eingesetzten Tankkarten der Unternehmen noch nach der Anteilsübertragung auf Weisung des Angeklagten M. verwendet, um Benzinvorräte für die Nachfolgeunternehmen in illegalen Tanklagern anzulegen bzw. weiter aufzufüllen. In einigen Fällen hoben die von dem Angeklagten M. eingesetzten früheren Geschäftsführer – auch der Angeklagte B. – nach der offiziellen Veräußerung der Gesellschaft noch die auf dem Geschäftskonto befindlichen bzw. dort noch eingehenden Guthabenbeträge ab und gaben das Geld an ihn weiter.

Nach diesem Muster verfuhr der Angeklagte M. bei der A. Spedition GmbH, deren nomineller Geschäftsführer bis zur Anteilsveräußerung im Oktober 2002 sein Vater gewesen war, bei der R. GmbH (Geschäftsführer vor der Anteilsveräußerung im September 2004: zunächst die Lebensgefährtin des Angeklagten und sodann der gesondert Verfolgte T.), bei der S L. GmbH (Geschäftsführer vor der Anteilsveräußerung im November 2005: der Angeklagte B. , der mit dem Angeklagten M. arbeitsteilig zusammenwirkte) und bei der I GmbH (Geschäftsführer vor der Anteilsveräußerung im Juni 2005: der Angeklagte P.), die von vornherein in erster Linie dazu bestimmt war, Dieseltreibstoff betrügerisch zu erlangen und ansonsten keine nennenswerte Geschäftstätigkeit entfaltete. In gleicher Weise agierte der Angeklagte B. bei der von ihm auch als eingetragener Geschäftsführer geleiteten & GmbH, deren Speditionsgeschäfte die R. GmbH weiter führte.

Das Landgericht hat mit Blick auf die teilweise Vernichtung und letztlich vollständige Entziehung der gesamten Geschäftsunterlagen – rechtlich unbedenklich – den Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 6 StGB als erfüllt angesehen: Es handelte sich insoweit um Handelsbücher und sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung die durchweg in der wirtschaftlichen Krise befindlichen Gesellschaften verpflichtet waren; durch ihre Unterdrückung wurde auch die Übersicht über ihren Vermögensstand erschwert.

Auch die Annahme der Strafkammer, in der Übertragung der Unternehmen auf einen zur Fortführung des Geschäfts ungeeigneten und unwilligen Strohmann liege eine Verschleierung der wirklichen geschäftlichen Verhältnisse im Sinne von § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2 StGB, hält im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand. Mit dem Merkmal der „geschäftlichen Verhältnisse“ sind über die Vermögensverhältnisse im engeren Sinn hinaus die Umstände angesprochen, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit des in der Krise befindlichen Schuldners erheblich sind. Da der Tatbestand mit Blick auf die Gläubigerinteressen auszulegen ist, geht es bei der Tathandlung des Verschleierns zwar in erster Linie um die unrichtige Darstellung der Vermögensverhältnisse[1]. Zu den geschäftlichen Verhältnissen zählen aber auch grundlegende unternehmerische Gesichtspunkte, namentlich Investitionsvorhaben, Planungsmaßnahmen und die zukünftige Entwicklung des Unternehmens[2]. Insbesondere über letztere wurden die Gläubiger vorliegend getäuscht, weil durch den Wechsel des Gesellschafters/Geschäftsführers ohne die Absicht, das Unternehmen fortzuführen, verschleiert wurde, dass die Gesellschaften tatsächlich von den Angeklagten liquidiert wurden und mangels jeglicher weiterer unternehmerischer Tätigkeit bereits feststand, dass sie die entstandenen Verbindlichkeiten auf keinen Fall würden begleichen können und dies auch nicht wollten. Dadurch sowie durch die durchgeführten weiteren Veräußerungen und die damit verbundenen Sitzverlegungen ins Ausland konnten Gläubiger davon abgehalten werden, in Vermögensgegenstände der Gesellschaften zu vollstrecken[3]. Angesichts des alleinigen Ziels der Gläubigerbenachteiligung waren diese Handlungen auch erkennbar grob wirtschaftswidrig.

Allerdings hat sich das Landgericht nicht mit der Frage befasst, ob die insoweit maßgeblichen Bankrotthandlungen den Angeklagten auch als täterschaftliches Handeln zugerechnet werden können. Sie stellt sich, weil es sich bei dem Tatbestand des Bankrotts nach § 283 StGB um ein Sonderdelikt des Schuldners handelt; ist der Schuldner – wie hier – eine juristische Person, die nur durch ihre Organe/Vertreter handeln kann, so ist die Zurechnung der Schuldnereigenschaft über § 14 StGB vorzunehmen[4]. Im Ergebnis gefährden die fehlenden Ausführungen dazu den Bestand des angefochtenen Urteils aber nicht.

Die Einhaltung der außerstrafrechtlichen Aufbewahrungspflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1 Nr. 6 StGB begründet, hatten bei den Gesellschaften deren Organe bzw. Vertretungsberechtigte zu gewährleisten[5], also der Angeklagte M. als faktischer und der Angeklagte B. in den ihn betreffenden Fällen als eingetragener Geschäftsführer.

Die den Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB begründenden Tathandlungen begingen die Angeklagten nur zum Teil selbst, indem sie die Geschäftsanteile veräußerten. Dies allein begründet die Strafbarkeit – jedenfalls wegen vollendeten Bankrotts – indes noch nicht, weil der formelle Akt der Anteilsübertragung für sich betrachtet – auch im Zusammenhang mit dem Ziel der „Firmenbestattung“ – kein vollendetes Verschleiern der geschäftlichen Verhältnisse darstellt[6]. Erst im Zusammenhang mit den weiteren Handlungen der Strohmänner, die sich nach dem Erwerb der Anteile selbst zu Geschäftsführern einsetzten und – wenn auch auf Weisung des eingeschalteten Firmenbestatters – die Gesellschaften an im Ausland lebende weitere Strohmänner veräußerten und zum Teil auch umfirmierten, wurden die Gläubiger im oben dargelegten Sinne über die geschäftlichen Verhältnisse der Unternehmen in die Irre geführt. Diese Handlungen können den Angeklagten jedoch nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden. Insoweit gilt:

Die Angeklagten blieben auch nach den jeweiligen Anteilsveräußerungen und den Bestellungen der Strohmänner zu Geschäftsführern der Gesellschaften nach § 14 StGB taugliche Täter des Bankrotts nach § 283 StGB.

Nach einer in der Literatur und insbesondere in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung im Vordringen befindlichen Auffassung soll dies schon daraus folgen, dass sowohl die Anteilsübertragung als auch sämtliche Gesellschafterbeschlüsse, mit denen der frühere Geschäftsführer abberufen und der neue bestellt, die Firma geändert oder ihr Sitz verlegt wird, wegen der damit verbundenen und intendierten Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB und deshalb – mit Blick auf die Gesellschafterbeschlüsse in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 4 AktG – nichtig sind[7].

Die Frage kann hier aufgrund der Besonderheiten des Falles indes offen bleiben: Der Angeklagte M. war – zum maßgeblichen Zeitpunkt – in keinem Fall eingetragener Geschäftsführer der von ihm faktisch beherrschten Gesellschaften, so dass die Frage einer Wirksamkeit der Gesellschafterbeschlüsse seine Strafbarkeit nicht berührt. Er war vielmehr vor den jeweiligen Anteilsveräußerungen faktischer Geschäftsführer der Gesellschaften und blieb dies auch über diesen Zeitpunkt hinaus bzw. übernahm die Stellung eines faktischen Liquidators[8], indem er die Gesellschaften abwickelte. Der Angeklagte B. war zwar in beiden ihn betreffenden Fällen eingetragener Geschäftsführer der Gesellschaften; auf die zivilrechtliche Wirksamkeit seiner Abberufung kommt es aber ebenfalls nicht an, weil auch er – in einem Fall im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit dem Angeklagten M. – diese Gesellschaften nach der Anteilsveräußerung faktisch weiter liquidierte.

Daher kann beiden Angeklagten über § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB das besondere persönliche Merkmal der Schuldnereigenschaft nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugerechnet werden. Sie wurden in ihrer Eigenschaft als (faktisches) Organ im Geschäftskreis der Gesellschaften tätig: Soweit sie rechtsgeschäftlich handelten, etwa bei der weiteren Verwendung der Tankkarten, zeigt sich ihr organschaftliches Handeln daran, dass die Rechtsfolgen – jedenfalls nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht – im Außenverhältnis unmittelbar die Gesellschaften trafen. Im Übrigen – etwa bei den Barabhebungen von den Geschäftskonten – handelten die Angeklagten mit Zustimmung der (neuen) Gesellschafter/Geschäftsführer, denn wesentlicher Bestandteil der Abrede zur Firmenbestattung war gerade, dass diese die Gesellschaften nicht fortführen wollten und den Angeklagten bei deren Abwicklung freie Hand ließen[9].

Die jeweils neu eingesetzten Geschäftsführer wiesen ebenfalls gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB die erforderliche Schuldnereigenschaft auf, so dass sie taugliche Mittäter des Bankrotts waren und ihre täterschaftlich begangenen Beiträge zur Tatbestandverwirklichung den Angeklagten gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden können. Sie handelten als Vertretungsberechtigte der Gesellschaft, denn ohne ihre besondere Organstellung als Geschäftsführer wären ihnen Handlungen wie Umfirmierung oder Sitzverlegung nicht möglich gewesen[10]. Auch insoweit kommt es auf die zivilrechtliche Wirksamkeit insbesondere ihrer Geschäftsführerbestellungen nicht an, denn im Falle der Unwirksamkeit wäre § 14 Abs. 1 StGB gleichwohl anzuwenden (§ 14 Abs. 3 StGB). Es kann deshalb offen bleiben, ob ihre Handlungen den Angeklagten nicht auch dann zugerechnet werden könnten, wenn die „Strohgeschäftsführer“ selbst sich nur wegen Beihilfe zum Bankrott strafbar gemacht hätten, weil in ihrer Person das besondere persönliche Merkmal der Schuldnereigenschaft nicht vorlag.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15. November 2012 – 3 StR 199/12

  1. BGH, Beschluss vom 24.03.2009 – 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636 mwN[]
  2. Kümmel, wistra 2012, 165, 168; LK/Tiedemann, 12. Aufl., § 283 Rn. 173[]
  3. vgl. dazu BGH aaO[]
  4. BGH, Beschluss vom 10.02.2009 – 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2226 mwN; zu den Zurechnungskriterien nach Aufgabe der Interessentheorie durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vgl. BGH, Beschluss vom 15.05.2012 – 3 StR 118/11, NJW 2012, 2366, 2368 f., zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 15.05.2012 – 3 StR 118/11, NJW 2012, 2366, 2369[]
  6. Brand/Reschke, ZIP 2010, 2134, 2135 f.; Kümmel, wistra 2012, 165, 168[]
  7. Kilper, Unternehmensabwicklung außerhalb des gesetzlichen Insolvenz- und Liquidationsverfahrens in der GmbH, 2009, S. 371 ff.; Kümmel, wistra 2012, 165, 167; AG Memmingen, Beschluss vom 02.12.2003 – HRB 8361, GmbHR 2004, 952, mit zust. Anm. Wachter, GmbHR 2004, 955 und Ries, Rpfleger 2004, 226; LG Potsdam, Beschluss vom 17.09.2004 – 25 Qs 11/04, wistra 2005, 193, 195 f. mwN; für Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB auch Kleindiek, ZGR 2007, 276, 291 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24.03.2009 – 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636; offen gelassen von BGH, Beschluss vom 30.07.2003 – 5 StR 221/03, BGHR StGB § 266a Abs. 1 Vorsatz 2, insoweit in BGHSt 48, 307 nicht abgedruckt; aA Brand/Reschke, ZIP 2010, 2134, 2136 f. mwN[]
  8. vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20.09.1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34, 36; Tiedemann in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 82 Rn. 46[]
  9. vgl. BGH, Beschluss vom 15.05.2012 – 3 StR 118/11, NJW 2012, 2366, 2368 f.[]
  10. vgl. BGH aaO[]