Der besondere Vertreter in der Beschlussanfechtungsklage

Der besondere Vertreter kann der Anfechtungsklage gegen den Beschluss über die Verfolgung von Ersatzansprüchen und über seine Bestellung auf Seiten der Gesellschaft als Nebenintervenient beitreten.

Der besondere Vertreter in der Beschlussanfechtungsklage

Der Beitritt ist zulässig, soweit die Kalge die Nichtigerklärung des Beschlusses über die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen und die Bestellung des Rechtsbeschwerdeführers zum besonderen Vertreter verfolgt. Dagegen ist für den Beitritt zur Anfechtungsklage gegen den Beschluss über die Sonderprüfung ein rechtliches Interesse des besonderen Vertreters nicht ersichtlich. Wenn wie hier mehrere Beschlüsse durch Klage angefochten werden, liegt eine Klagenhäufung vor (§ 260 ZPO). Bei einer Verbindung mehrerer Prozesse im Rahmen einer Klagenhäufung ist die Zulässigkeit des Beitritts für jede Klage gesondert zu beurteilen[1].

Ob der besondere Vertreter Anfechtungsprozessen beitreten kann, ist umstritten. Teilweise wird der Beitritt (jedenfalls) hinsichtlich des Bestellungsbeschlusses für zulässig erachtet[2], teilweise dann, wenn er zur Erfüllung der Aufgabe des besonderen Vertreters als erforderlich erscheint[3] oder der Prozess in unmittelbarem Zusammenhang mit dem geltend zu machenden Anspruch steht[4]. Andere lehnen eine Interventionsbefugnis des besonderen Vertreters ab, weil er als Organ weder parteifähig sei noch ein Interventionsinteresse habe[5]. Schließlich wird eine Interventionsbefugnis nur für den Organwalter, nicht jedoch den besonderen Vertreter als Organ bejaht[6].

Der besondere Vertreter kann der Anfechtungsklage gegen den Beschluss über die Verfolgung von Ersatzansprüchen und über seine Bestellung auf Seiten der Gesellschaft als Nebenintervenient beitreten. Nach § 66 Abs. 1 ZPO kann derjenige einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit zur Unterstützung beitreten, der ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer Partei hat. Der besondere Vertreter hat ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Gesellschaft im Anfechtungsprozess gegen seine Bestellung und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.

Der Beitritt ist nicht schon deshalb unzulässig, weil der besondere Vertreter als Organ nicht parteifähig ist. Zwar müssen die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen, zu denen die Parteifähigkeit gehört, auch in der Person des Nebenintervenienten vorliegen[7] und ist der besondere Vertreter im Rahmen seines Aufgabenkreises Organ der Gesellschaft[8]. Ob Organen der Gesellschaft als selbständigen Gebilden nur dort, wo dies wie in § 245 Nr. 4 AktG für die Anfechtungsbefugnis des Vorstands gesetzlich bestimmt ist, Parteifähigkeit zukommt, kann hier offenbleiben. Sie mag für die Frage der Beschlussanfechtung durch ein mehrköpfiges Organ von Bedeutung sein (vgl. § 245 Nr. 4 AktG für den Vorstand). Der Beitritt setzt aber keine der Anfechtungsbefugnis entsprechende besondere aktienrechtliche „Nebeninterventionsbefugnis“ voraus[9].

Der besondere Vertreter ist als natürliche Person parteifähig (§ 50 ZPO). Ob er beim Beitritt im Rahmen der ihm als besonderem Vertreter zugewiesenen Aufgaben als Organ oder Organmitglied handelte, ist für seine Rechts- und Parteifähigkeit ohne Bedeutung. Bei Organen, die nur aus einer natürlichen Person bestehen, bedarf es der Unterscheidung zwischen Organ und Organmitglied nicht. Soweit ein Organmitglied ein rechtliches Interesse geltend machen kann, kann dieses auch gerade auf seiner Organstellung beruhen[10].

Der Anfechtungsrechtsstreit wird auch zwischen anderen Personen geführt. Nach § 66 Abs. 1 ZPO setzt die Nebenintervention einen zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit voraus. Ob der gesetzliche Vertreter einer Partei nicht Dritter ist und daher nicht beitreten kann, hat der Bundesgerichtshof bisher offengelassen[11] und kann auch hier offenbleiben. Der besondere Vertreter tritt hier nicht als gesetzlicher Vertreter der beklagten Gesellschaft auf. Er ist nur insoweit gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft, als seine Befugnis reicht, Ersatzansprüche gegen Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats im Namen der Gesellschaft zu verfolgen, die ein abgespaltener Teil der umfassenden gesetzlichen Vertretungsmacht des Vorstands ist[12].

Im Anfechtungsstreit um seine Bestellung vertritt er die Gesellschaft nicht; sie wird vielmehr durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten (§ 246 Abs. 2 Satz 2 AktG). Zwar wird teilweise vertreten, dass der besondere Vertreter wegen der Besorgnis einer nachlässigen Rechtsverteidigung durch Vorstand und Aufsichtsrat im Anfechtungsprozess um seine Bestellung die Gesellschaft vertrete[13] oder jedenfalls die Hauptversammlung – wie hier nicht – eine solche Vertretung bestimmen könne[14]. Eine Vertretung im Anfechtungsprozess widerspricht aber der gesetzlichen Regelung in § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG und steht mit den beschränkten Aufgaben des besonderen Vertreters, Ersatzansprüche geltend zu machen, nicht in Einklang. Für eine Erweiterung seiner Befugnisse auf die Vertretung im Anfechtungsprozess besteht auch kein Bedürfnis. Gegen eine nachlässige Prozessführung durch Vorstand und Aufsichtsrat im Anfechtungsprozess über die Bestellung, wie sie hier mit dem Anerkenntnis durch die Beklagte in Frage kommt, haben die Aktionäre die Möglichkeit, auf Seiten der Gesellschaft beizutreten und so eine Säumnis der Gesellschaft oder ein zur Nichtigerklärung führendes Anerkenntnis abzuwenden.

Der Nebenintervenient hat als besonderer Vertreter ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Gesellschaft im Anfechtungsstreit um seine Bestellung und über die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen.

Sein Interventionsinteresse folgt allerdings nicht bereits aus einer Rechtskrafterstreckung. Regelmäßig ist ein rechtliches Interesse eines Dritten gegeben, gegenüber dem die Entscheidung Rechtskraft bewirkt[15]. § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ordnet eine solche Rechtskrafterstreckung für den Fall der Nichtigerklärung aber nur gegenüber allen Aktionären, den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats an. Der besondere Vertreter zählt nicht dazu. Ein Grund, § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG auf den besonderen Vertreter entsprechend anzuwenden, besteht nicht. Die Rechtskrafterstreckung in § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG stellt sicher, dass der Beschluss der Hauptversammlung nicht nur für den jeweiligen Kläger und die beklagte Gesellschaft als Prozessparteien, sondern auch für die anderen Aktionäre und einzelnen Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats nichtig ist, wenn die Anfechtungsklage Erfolg gehabt hat[16]. Damit soll eine unklare Beschlusslage verhindert werden, nämlich dass der Beschluss für einen Teil der Beteiligten nichtig, für den anderen Teil aber nach wie vor die verbindliche Äußerung des Gesellschaftswillens ist, unabhängig davon, ob sie jeweils von dem Beschluss überhaupt betroffen sind. Der besondere Vertreter tritt zwar für seinen Aufgabenbereich an die Stelle des Vorstands. Dieser Aufgabenbereich besteht aber nur in der Geltendmachung von Ersatzansprüchen. Dazu muss nicht gesichert werden, dass ein Beschluss der Gesellschaft auch ihm gegenüber nach einer erfolgreichen Anfechtungsklage unabhängig davon nichtig ist, ob er seinen Aufgabenbereich betrifft.

Das Interventionsinteresse des gemeinsamen Vertreters folgt aber aus der Gestaltungswirkung einer Entscheidung, die seine Bestellung und die Entscheidung für eine Verfolgung von Ersatzansprüchen für nichtig erklärt. Bei gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen kommt wegen der Gestaltungswirkung des § 241 Nr. 5 AktG eine Nebenintervention desjenigen Dritten in Betracht, der von der Nichtigerklärung betroffen ist[17]. Die Nichtigerklärung des Bestellungsbeschlusses und des Beschlusses über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen betrifft den besonderen Vertreter unmittelbar, weil er sein Amt und seinen Auftrag verliert. Dem steht nicht entgegen, dass die Aufgabe des besonderen Vertreters nicht die Verteidigung von Hauptversammlungsbeschlüssen, sondern die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist. Für das rechtliche Interesse reicht es aus, dass die Gestaltungswirkung der Nichtigerklärung ihn und sein Amt berührt. Mit der rechtskräftigen Nichtigerklärung des Bestellungsbeschlusses verliert er die Befugnis, für die Gesellschaft Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Dagegen fehlt ein rechtliches Interesse für den Beitritt hinsichtlich der Anfechtungsklage gegen den Beschluss über die Sonderprüfung. Weder erstreckt sich die Rechtskraft einer Nichtigerklärung auf den besonderen Vertreter noch ist er von der Gestaltungswirkung der Nichtigerklärung betroffen. Zu einem rechtlichen Interesse an der Sonderprüfung aus seinem Aufgabenbereich, Ersatzansprüche gegen das Aufsichtsratsmitglied geltend zu machen, hat der Rechtsbeschwerdeführer nichts vorgetragen. Es ist aus den Beschlussgegenständen selbst nicht erkennbar. Der Gegenstand des geltend zu machenden Ersatzanspruchs und der Sonderprüfung sind allenfalls teilweise identisch. Die Sonderprüfung dient hier insbesondere nicht etwa der Ermittlung von Tatsachen für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28. April 2015 – II ZB 19/14

  1. vgl. zur subjektiven Klagenhäufung BGH, Urteil vom 18.10.1976 – II ZR 98/75, BGHZ 68, 81, 85[]
  2. LG München I, ZIP 2007, 2420, 2421; Mock in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 147 Rn. 43; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 246 Rn. 32; Westermann, AG 2009, 237, 244[]
  3. Heidel/Locher, AktG, 4. Aufl., § 147 Rn. 24a; MünchKomm-AktG/Schröer, 3. Aufl., § 147 Rn. 54[]
  4. Verhoeven, ZIP 2008, 245, 250; Nietsch, ZGR 2011, 589, 625 f.[]
  5. OLG München, ZIP 2008, 2173, 2174; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 147 Rn. 9; MünchKomm- AktG/Hüffer, 3. Aufl., § 246 Rn. 9 und 10; Rieckers/J. Vetter in KK-AktG, 3. Aufl., § 147 Rn. 684 f.; Grigoleit/Herrler, AktG, § 147 Rn. 16; Fabritius, Gedächtnisschrift Gruson, 2009, S. 133, 147; Wasmann/Kallweit, Der Konzern 2008, 135, 137; ebenso für die Nebenintervention auf Seiten eines Anfechtungsklägers Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 147 Rn. 27[]
  6. Humrich, Der besondere Vertreter im Aktienrecht, 2013, S. 182[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.2006 – VIII ZB 82/05, BGHZ 165, 358, 362; Beschluss vom 12.07.2012 – VII ZB 9/12, BGHZ 194, 68 Rn. 6[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 18.12 1980 – II ZR 140/79, ZIP 1981, 178, 179; Beschluss vom 27.09.2011 – II ZR 225/08, ZIP 2011, 2195; Beschluss vom 18.06.2013 – II ZA 4/12, ZIP 2013, 1467 Rn. 3[]
  9. vgl. BGH, Beschluss vom 23.04.2007 – II ZB 29/05, BGHZ 172, 136 Rn. 17 f.; Beschluss vom 26.05.2008 – II ZB 23/07, ZIP 2008, 1398 Rn. 7[]
  10. vgl. zum Aufsichtsratsmitglied BGH, Urteil vom 29.01.2013 – II ZB 1/11, ZIP 2013, 483 Rn. 13[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2013 – II ZB 1/11, ZIP 2013, 483 Rn. 9[]
  12. BGH, Urteil vom 18.12 1980 – II ZR 140/79, ZIP 1981, 178, 179[]
  13. Böbel, Die Rechtsstellung der besonderen Vertreter gem. § 147 AktG, 1999, S. 141 ff.[]
  14. Verhoeven, ZIP 2008, 245, 250[]
  15. vgl. BGH, Beschluss vom 23.04.2007 – II ZB 29/05, BGHZ 172, 136 Rn. 10; Beschluss vom 26.05.2008 – II ZB 23/07, ZIP 2008, 1398 Rn. 8[]
  16. MünchKomm-AktG/Hüffer, 3. Aufl., § 248 Rn. 3[]
  17. vgl. BGH, Urteil vom 18.10.1976 – II ZR 98/75, BGHZ 68, 81, 85; Beschluss vom 17.01.2006 – X ZR 236/01, BGHZ 166, 18 Rn. 7 – Carvedilol; Beschluss vom 23.04.2007 – II ZB 29/05, BGHZ 172, 136 Rn. 10; Beschluss vom 26.05.2008 – II ZB 23/07, ZIP 2008, 1398 Rn. 8[]