Gesellschafterdarlehen – Rückgewähr und Insolvenzanfechtung

Die Insolvenzanfechtung der Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens binnen eines Jahres vor Stellung eines Insolvenzantrags setzt keine Krise der Gesellschaft voraus. Entsprechendes gilt für die Rückgewähr eines durch den Gesellschafter abgesicherten Kredits.

Gesellschafterdarlehen – Rückgewähr und Insolvenzanfechtung

Nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben der § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 Abs. 1 und 2 InsO kommt es auf die Krise der Gesellschaft nicht mehr an. Der Gesetzgeber hat mit § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der Fassung von Art. 9 Nr. 5 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008[1] bewusst auf das Merkmal der Kapitalersetzung verzichtet[2]. Die Neuregelung verweist jedes Gesellschafterdarlehen bei Eintritt der Gesellschaftsinsolvenz in den Nachrang[3]. Dasselbe gilt nach Maßgabe von Art. 9 Nr. 8 MoMiG für die Neufassung von § 135 InsO.

Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen sind innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nF stets anfechtbar[4]. Die Anfechtung beschränkt sich nicht mehr auf solche Fälle, in denen zurückgezahlte Gesellschafterdarlehen eigenkapitalersetzend waren und die Befriedigung der Gesellschafter ihrer Finanzierungsfolgenverantwortung widersprach.

Dieses Gesetzesverständnis ist eindeutig und – soweit ersichtlich – auch unumstritten[5]. In Konsequenz dieser Änderung wird durch eine Verschärfung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Rückgewähr jedes Gesellschafterdarlehens durch die Gesellschaft binnen eines Jahres vor Insolvenzantragstellung von der Insolvenzanfechtung erfasst, ohne dass das bisherige Erfordernis einer „Gesellschaftskrise“ hinzutreten muss[6].

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ebenfalls ausgeführt habe, der darlehensgewährende Gesellschafter werde nicht schlechter gestellt[7] und in § 135 Abs. 2 InsO werde die bisher in § 32b GmbHG enthaltene Regelung in rechtsformneutraler Form übernommen[8]. Dieser Teil der Gesetzesmaterialien liefert keinen durchgreifenden Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber eine Haftung des Gesellschafters im Umfang der Rückzahlungen innerhalb der Jahresfrist weiterhin an die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft habe knüpfen wollen. Dagegen sprechen der eindeutige Gesetzeswortlaut, aber auch die Ausführungen in der Gesetzesbegründung, es gebe künftig keine Unterscheidung zwischen „kapitalersetzenden“ und „normalen“ Gesellschafterdarlehen[9] und das Merkmal der Krise sei durchgängig aufgegeben worden[8].

Weder für eine teleologische Reduktion des § 135 InsO in dem Sinne, dass dem Gesellschafter der Entlastungsbeweis ermöglicht wird, zum Zeitpunkt der Rückführung des Darlehens habe noch kein Insolvenzgrund vorgelegen, noch für eine analoge Anwendung des § 136 Abs. 2 InsO bleibt im Hinblick auf das Gesamtkonzept der neuen Regelungen Raum[10]. Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung die Rechtslage erheblich einfacher und übersichtlicher gestalten und dadurch zu einer größeren Rechtssicherheit und einfacheren Handhabbarkeit der Eigenkapitalgrundsätze gelangen. Er hat dabei unter Abwägung der Interessen sowohl der Insolvenzgläubiger als auch der Gesellschafter die Rückzahlung des Gesellschafterkredits und eines durch den Gesellschafter abgesicherten Kredits nicht mehr dem Kapitalerhaltungsrecht unterworfen, sondern dem durch feste Fristen gekennzeichneten Insolvenzanfechtungsrecht[2]. Damit hat er zwar einerseits die Haftung der Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung durch Verzicht auf das Merkmal der Gesellschaftskrise verschärft[11], andererseits aber auch entschärft, weil Rückzahlungen, die außerhalb der Anfechtungsfrist erfolgen, nicht mehr unter Rückgriff auf § 31 GmbHG erstattet werden müssen[12]. Im Übrigen ist infolge der Beseitigung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG der Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Gesellschafter auf unentgeltliche Nutzung eines überlassenen Wirtschaftsguts zu ihren Gunsten entfallen[13].

Weder das Gesetz noch die sich am Gesetzeswortlaut und den Intentionen des Gesetzgebers orientierende Auslegung des § 135 InsO verstößt gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Nichtzulassungsbeschwerdebegründung nennt keine Stimme, die verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelungen des MoMiG äußert. In der in Bezug genommenen Berufungsbegründung hat der Beklagte zwar eine Literaturstelle zitiert. Diese aber betraf nicht § 135 InsO, sondern § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO[14]. Der Bundesgerichtshof wendet die Bestimmung des § 135 InsO in ständiger Rechtsprechung an.

Ziel des Gesetzgebers war es, durch eine Vereinfachung der Rechtslage und durch Schaffung typisierender Regelungen mehr Rechtssicherheit zu erreichen. Dabei hat er unter verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Abwägung der Interessen der Gläubiger und der Gesellschafter einerseits die Haftung der Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung durch Verzicht auf das Merkmal der Gesellschaftskrise verschärft, andererseits den Gläubigerschutz durch die Jahresfrist eingeschränkt. Jede typisierende Regelung kann zwar im Einzelfall zu Härten führen; dies wird jedoch ausgeglichen durch den Gewinn an Rechtssicherheit infolge des Verzichts auf die unnötig komplizierte Rechtsregeln des Kapitalersatzrechts[15], die in der Literatur teilweise als „ständig fortschreitender Wildwuchs“ beschrieben wurden[16].

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30. April 2015 – IX ZR 196/13

  1. BGBl. I S.2026[]
  2. vgl. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drs. 16/6140 S. 42[][]
  3. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drs. 16/6140 S. 26, 56[]
  4. BT-Drs. 16/6140 S. 57[]
  5. BGH, Urteil vom 07.03.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 Rn. 14 mwN; vom 04.07.2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 Rn. 29[]
  6. BGH, Urteil vom 21.02.2013 – IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 Rn. 10; vgl. BGH, Beschluss vom 15.11.2011 – II ZR 6/11, NJW 2012, 682 Rn. 15; BAG, Urteil vom 27.03.2014 – 6 AZR 204/12, NZI 2014, 619 Rn. 22[]
  7. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drs. 16/6140 S. 56[]
  8. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drs. 16/6140 S. 57[][]
  9. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drs. 16/6140 S. 26[]
  10. vgl. Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 327[]
  11. vgl. Habersack, ZIP 2007, 2145, 2146; Roth, GmbHR 2008, 1184, 1186; Bauer, ZInsO 2011, 1379, 1382[]
  12. vgl. Habersack, aaO; Bauer, aaO[]
  13. BGH, Urteil vom 29.01.2015 – IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589 Rn. 38; vgl. Habersack, aaO; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 328[]
  14. Klinck, Die Grundlagen der besonderen Insolvenzanfechtung, S. 261 ff[]
  15. Habersack, ZIP 2007, 2145, 2146; Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3602 f[]
  16. Altmeppen, aaO, 3602[]