Die fremde Marke als AdWords-Schlüsselwort

Die Auswahl einer bekannten Marke als Schlüsselwort einer Adwords-Anzeige durch einen Mitbewerber des Markeninhabers kann eine Markenverletzung gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. c GMV sein.

Die fremde Marke als AdWords-Schlüsselwort

Eine Verletzung der bekannten Marke im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. c GMV kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Werbende Nachahmungen von Waren des Inhabers dieser Marke anbietet oder die mit der bekannten Marke versehenen Waren in einem negativen Licht darstellt. Wird dagegen eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen des Inhabers der bekannten Marke vorgeschlagen, ohne Funktionen der Marke zu beeinträchtigen, ist davon auszugehen, dass eine solche Benutzung grundsätzlich nicht „ohne rechtfertigenden Grund“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. c GMV erfolgt[1].

Nutzung eines identischen Zeichens

Der Verletzungstatbestand des Art. 9 Abs. 1 Buchst. a GMV setzt voraus, dass ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist. Dafür ist erforderlich, dass die Benutzung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann[2]. Im Hinblick auf die Benutzung eines mit der Marke identischen Zeichens als Schlüsselwort für Adwords-Werbung kommt – unbeschadet des Gesichtspunkts der Verletzung einer bekannten Marke – die Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion in Betracht, während die Beeinträchtigung der Werbefunktion regelmäßig ausscheiden wird[3]. Denkbar ist ferner die Beeinträchtigung der Investitionsfunktion der Marke, sofern die Benutzung als Schlüsselwort es dem Markeninhaber wesentlich erschwert, seine Marke zum Erwerb oder zur Wahrung eines Rufs einzusetzen, der geeignet ist, Verbraucher anzuziehen und zu binden[4].

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hängt die Frage, ob die Herkunftsfunktion beeinträchtigt wird, wenn Internetnutzern bei Eingabe eines mit der Marke identischen Schlüsselworts die Anzeige eines Dritten gezeigt wird, insbesondere davon ab, wie diese Anzeige gestaltet ist. Die herkunftshinweisende Funktion der Marke ist beeinträchtigt, wenn aus der Anzeige für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die dort beworbenen Waren oder Dienstleistungen vom Inhaber der Marke oder von einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder aber von einem Dritten stammen[5]. Für eine Beeinträchtigung in diesem Sinne spricht es daher, wenn in der Anzeige des Dritten suggeriert wird, dass zwischen ihm und dem Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht. Dasselbe gilt, wenn die Anzeige das Bestehen einer wirtschaftlichen Verbindung zwar nicht suggeriert, hinsichtlich der Herkunft der fraglichen Ware oder Dienstleistung aber so vage gehalten ist, dass ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer auf der Grundlage des Werbelinks und der dazu gehörigen Werbebotschaft nicht erkennen kann, ob der Werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder doch mit diesem wirtschaftlich verbunden ist[6]. Dabei reicht es für die Feststellung der Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion der Marke wegen des Maßstabs des normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzers nicht aus, dass lediglich einige Internetnutzer nur schwer erkennen können, dass die beworbene Dienstleistung nichts mit derjenigen des Markeninhabers zu tun hat[7].

Ob nach diesen Grundsätzen eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion vorliegt oder vorliegen kann, ist Sache der Würdigung durch das nationale Gericht[8]. Dabei wird eine rechtserhebliche Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion regelmäßig ausscheiden, wenn die Anzeige in dem durch die Überschrift „Anzeigen“ gekennzeichneten, deutlich abgesetzten besonderen Werbeblock erscheint und sie selbst weder das Zeichen noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber oder auf die von diesem angebotenen Produkte enthält, der angegebene Domainname vielmehr erkennbar auf eine andere betriebliche Herkunft hinweist[9].

Verletzung einer bekannten Marke

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zur Verwendung bekannter Marken als Schlüsselwort einer AdwordsWerbung Stellung genommen. Danach kann eine identische Verwendung einer bekannten Marke für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, eine Markenverletzung gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. c GMV darstellen[10]. Dies setzt voraus, dass die Gemeinschaftsmarke bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Werbender durch die Auswahl eines mit einer fremden Marke identischen Zeichens als Schlüsselwort darauf abzielt, dass die Internetnutzer, die dieses Wort als Suchbegriff eingeben, nicht nur auf die vom Inhaber dieser Marke herrührenden angezeigten Links klicken, sondern auch auf den Werbelink des Werbenden. Außerdem werden eine bekannte Marke oder der Wortbestandteil einer bekannten Marke häufiger von Internetnutzern als Suchwort eingegeben, um im Internet Informationen oder Angebote über Waren oder Dienstleistungen dieser Marke zu finden. Unter diesen Umständen dient die Auswahl einer bekannten Marke im Rahmen einer Suchmaschine als Schlüsselwort durch einen Mitbewerber des Markeninhabers dazu, die Unterscheidungskraft und Wertschätzung dieser Marke auszunutzen[11].

Sofern kein „rechtfertigender Grund“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. c GMV vorliegt, kann eine solche Auswahl als eine Benutzung zu beurteilen sein, bei der sich der Werbende in den Bereich der Sogwirkung einer bekannten Marke begibt, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und, ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen. Ist dies der Fall, ist diese Ausnutzung durch den Dritten als unlauter anzusehen[12]. Dies kann insbesondere für Fälle anzunehmen sein, in denen Werbende im Internet mittels Benutzung von Schlüsselwörtern, die bekannten Marken entsprechen, Nachahmungen von Waren des Inhabers dieser Marken anbieten oder die mit der bekannten Marke versehenen Waren in einem negativen Licht darstellen. Wenn dagegen im Internet anhand eines Schlüsselwortes, das einer bekannten Marke entspricht, eine Werbung gezeigt wird, mit der, ohne eine bloße Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen des Inhabers dieser Marke anzubieten, ohne eine Verwässerung oder Verunglimpfung herbeizuführen und ohne im Übrigen die Funktionen dieser Marke zu beeinträchtigen, eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen des Inhabers der bekannten Marke vorgeschlagen wird, ist davon auszugehen, dass eine solche Benutzung grundsätzlich unter einen gesunden und lauteren Wettbewerb im Bereich der fraglichen Waren oder Dienstleistungen fällt und damit nicht „ohne rechtfertigenden Grund“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. c GMV erfolgt. Dabei ist die Feststellung und Beurteilung dieser Gesichtspunkte Sache der nationalen Gerichte[13].

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Februar 2013 – I ZR 172/11

  1. im Anschluss an EuGH, GRUR 2011, 1124 Rn. 90 f. Interflora[]
  2. EuGH, Urteil vom 23.03.2010 – C-236/08 bis C-238/08, GRUR 2010, 445 Rn. 79 – Google France; BGH, Urteil vom 13.01.2011 – I ZR 125/07, GRUR 2011, 828 Rn. 21 = WRP 2011, 1160 Bananabay II[]
  3. EuGH, GRUR 2010, 445 Rn. 81, 98 – Google France; Urteil vom 22.09.2011 – C-323/09, GRUR 2011, 1124 Rn. 44 ff., 54, 66 = WRP 2011, 1550 – Interflora; BGH, GRUR 2011, 828 Rn. 30 – Bananabay II[]
  4. EuGH, GRUR 2011, 1124 Rn. 63 ff. – Interflora[]
  5. EuGH, GRUR 2010, 445 Rn. 83 f. = NJW 2010, 2029 – Google France; Beschluss vom 26.03.2010 – C-91/09, GRUR 2010, 641 Rn. 24 – Eis.de[]
  6. EuGH, GRUR 2010, 641 Rn. 26 f. – Eis.de; GRUR 2010, 445 Rn. 89 f. – Google France; GRUR 2011, 1124 Rn. 44 – Interflora[]
  7. EuGH, GRUR 2011, 1124 Rn. 50 – Interflora[]
  8. EuGH, GRUR 2010, 445 Rn. 88 – Google France; GRUR 2010, 641 Rn. 25 – Eis.de; GRUR 2011, 1124 Rn. 46 – Interflora[]
  9. BGH, GRUR 2011, 828 Rn. 27 – Bananabay II; BGH, Urteil vom 13.12.2012 – I ZR 217/10, GRUR 2013, 290 Rn. 26 = WRP 2013, 505 – MOST-Pralinen[]
  10. EuGH, GRUR 2011, 1124 Rn. 68 Interflora[]
  11. EuGH, GRUR 2011, 1124 Rn. 84 ff. – Interflora[]
  12. EuGH, GRUR 2011, 1124 Rn. 89 – Interflora[]
  13. EuGH, GRUR 2011, 1124 Rn. 90 f. – Interflora[]