Kein Notgeschäftsführer in der GbR

Für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist grundsätzlich kein Notgeschäftsführer zu bestellen.

Kein Notgeschäftsführer in der GbR

Der Antrag auf Bestellung eines Notvorstands eines Vereins nach § 29 BGB kann von einem Vereinsmitglied als Beteiligtem gestellt werden. Ein Vereinsmitglied, das einen solchen Antrag gestellt hat, ist gegen die Ablehnung der Bestellung eines Notvorstands beschwerdeberechtigt, weil es in eigenen Rechten beeinträchtigt wird[1]. Das einzelne Mitglied hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Handlungsfähigkeit des Vereins und ist, sofern die Satzung nichts Abweichendes regelt, zur Mitwirkung bei der Bestellung des Vorstands berufen. Wenn wie hier eine entsprechende Anwendung der Notvorstandsbestellung auf einen anderen Verband in Frage steht, gilt Entsprechendes. Die Gesellschafterin einer GbR hat ein Interesse an der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft und ist zur Mitwirkung an der Geschäftsführung bzw. an der Übertragung der Geschäftsführung berufen, §§ 710, 709 Abs. 1 BGB.

Allerdings lehnt der Bundesgerichtshof – wie zuvor bereits das Oberlandesgericht Frankfurt am Main[2]– die Bestellung eines Notgeschäftsführers für die Gesellschaft entsprechend § 29 BGB abgelehnt.

Für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist grundsätzlich kein Notgeschäftsführer zu bestellen, jedenfalls wenn sie keine Publikumsgesellschaft ist[3].

Für die entsprechende Anwendung der Regelung des § 29 BGB fehlen die rechtlichen Voraussetzungen. Eine Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen[4].

Es fehlt bereits eine planwidrige Regelungslücke. Der Notvorstand überbrückt bei der juristischen Person eine vorübergehende Handlungsunfähigkeit beim Fehlen eines ordentlich bestellten Vorstands. Der Wegfall der Geschäftsführungsbefugnis bei einem geschäftsführenden Gesellschafter oder sein Wegfall machen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts dagegen auch beim Fehlen von Vorkehrungen im Gesellschaftsvertrag nicht handlungsunfähig, weil dafür Regelungen im Gesetz vorhanden oder von der Rechtsprechung entwickelt worden sind.

Der Wegfall des (einzigen) geschäftsführungsberechtigten Gesellschafters durch Tod führt zur Gesamtgeschäftsführungsbefugnis der verbliebenen Gesellschafter (§ 709 Abs. 1 BGB). Bei Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis oder Amtsniederlegung gilt Entsprechendes; ggf. bleibt es bei der Geschäftsführungsbefugnis der übrigen geschäftsführungsbefugten Gesellschafter[5]. Dass sich die verbleibenden Gesellschafter blockieren können, ist in der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis als dem gesetzlichen Regelfall bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts angelegt und begründet daher keine Regelungslücke.

Soweit etwa im Hinblick auf den Ausschluss des geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafters rechtliche Unsicherheiten bestehen, kann die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis durch eine einstweilige Verfügung vorläufig geregelt werden. Wenn ein dringender Handlungsbedarf wegen einer Gefahr für die Gesellschaft oder ihr Vermögen besteht, die keinen Aufschub bis zu einer Entscheidung der Gesellschafter duldet, bedarf es ebenfalls keines Notgeschäftsführers. Jeder Gesellschafter hat entsprechend § 744 Abs. 2 BGB die Befugnis zu den Maßnahmen, die zur Erhaltung eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstandes oder der Gesellschaft selbst notwendig sind[6].

Auch die – behauptete – zeitweilige Geschäftsunfähigkeit des weiteren Gesellschafters führt nicht zu einer ungeregelten Situation. Der Gefahr der Mitwirkung eines Mitgesellschafters, die sich nachträglich als unwirksam herausstellt, kann durch die Bestellung eines Betreuers für den geschäftsunfähigen Gesellschafter und einen Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) begegnet werden[7]. Wenn in gerichtlichen Verfahren wegen der Eilbedürftigkeit ein Zuwarten mit Nachteilen verbunden wäre, kann vor der Betreuerbestellung ein Prozesspfleger nach § 57 ZPO bestellt werden.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. September 2014 – II ZB 4/14

  1. vgl. OLG Schleswig, FGPrax 2013, 127, 128[]
  2. OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 30.01.2014 – 20 W 368/13, ZIP 2014, 875[]
  3. Erman/Westermann, BGB, 14. Aufl., § 29 Rn. 4; Staudinger/Weick, BGB, Bearbeitung 2005, § 29 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Reuter, 6. Aufl., § 29 Rn. 4; BeckOK BGB/Schöpflin Stand: 01.02.2014, § 29 Rn. 2; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., § 29 Rn. 3; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 29 Rn. 1; Otto in jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 29 Rn. 2; Andreas Bergmann in jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 709 Rn. 10; vgl. zur KG BGH, Urteil vom 09.12 1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198, 200[]
  4. st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 21.01.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 Rn. 32; Urteil vom 12.01.2010 – XI ZR 37/09, ZIP 2010, 319 Rn. 32 mwN[]
  5. vgl. MünchKomm-BGB/Schäfer, 6. Aufl., § 712 Rn.20 mwN[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 04.05.1955 – IV ZR 185/54, BGHZ 17, 181, 183[]
  7. vgl. Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl., § 1903 Rn. 10 mwN[]