Mit der Bestimmung des zuständigen Gerichts für die Bestellung eines Notvorstandes für eine sog. Rest- bzw. Spaltgesellschaft einer nach 1945 in Polen enteigneten Aktiengesellschaft hatte sich aktuell das Oberlandesgericht Karlsruhe zu befassen:

Durch die Enteignung bei Vorhandensein von Vermögenswerten in Deutschland dürfte unter Berücksichtigung des Territorialitätsprinzips und der Spaltungstheorie unter Beibehaltung ihrer Rechtsform für das „Auslandsvermögen“, also das Vermögen in der Bundesrepublik Deutschland, eine Rest- oder Spaltgesellschaft als fortbestehend gelten. Da hier nicht nur die Mitgliedschaftsrechte enteignet worden sein sollen, sondern die alte Gesellschaft vernichtet worden sein soll, handelt es sich wohl um eine Restgesellschaft[1]. Obwohl die Frage nach dem Gesellschaftsstatut für das hier belegene enteignungsfreie Vermögen in der Literatur umstritten ist[2], dürfte, wie in der ursprünglichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Gesellschaften, die vormals deutschem Recht unterlagen, auch hier deutsches Recht Anwendung finden, zumal die AG ursprünglich nach deutschem Recht gegründet worden sein dürfte.
Dies kann in letzter Konsequenz hier offen bleiben, da für das Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung Zulässigkeit und Aussichten des beabsichtigten Verfahrens nicht zu prüfen sind. Nur wenn offensichtlich wäre, dass die beabsichtigten Anträge unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben könnten, wäre eine Gerichtsstandsbestimmung ausgeschlossen. Der Antrag auf Bestellung eines Notvorstands erscheint hier aber nicht aussichtslos.
Damit eine Restgesellschaft eine Hauptversammlung einberufen kann, muss zunächst ein zuständiges Gericht für die Bestellung eines Notvorstands gemäß § 85 AktG bestimmt werden. Nach h.M. hat die Restgesellschaft nämlich keinen Satzungssitz im enteignenden Staat und es entsteht auch nicht automatisch ein neuer Satzungssitz im Inland, so dass § 14 AktG leer läuft[3]. Da das Zuständigkeitsergänzungsgesetz vom 07.08.1952 auch in seinem § 15 aufgehoben worden ist, fehlt es insoweit an einer gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung, so dass die Frage einer entsprechenden Anwendung dieser Regelung sich nicht mehr stellt. Für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung bei Streit oder Ungewissheit auf die entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 2 FGG zurückgegriffen[4]. Nach dem nunmehr für das im Dezember 2013 anhängig gewordene Verfahren geltenden Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist § 5 Abs. 1 Nr. 1 FamFG entsprechend anzuwenden mit der Folge, dass hier das Oberlandesgericht zur Gerichtsstandsbestimmung berufen ist[5].
Für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts können verschiedene Kriterien wie die Belegenheit des Hauptvermögens, der effektive Sitz der Notverwaltung[6] oder – unter Heranziehung des Rechtsgedankens von § 15 Zuständigkeitsergänzungsgesetz – der geplante Sitz der Verwaltungsführung herangezogen werden. Da die Hauptaktionärin als Antragstellerin ihren Sitz in Mannheim hat, bisher die Abwesenheitspflegschaft durch das Amtsgericht Mannheim betreut worden ist, die B.-Aktien mittlerweile verkauft worden sind und die Verwaltung in Zukunft von Mannheim aus erfolgen soll, erscheint es zweckmäßig, hier als zuständiges Gericht das Registergericht Mannheim zu bestimmen[7].
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 17. April 2014 – 11 AR 2/14
- vgl. Kindler in MünchKomm-BGB, Int. Handels- und Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., 2010 Rdnr. 1023 ff.; Großfeld in Staudinger, BGB, IntGesR 1998 Rdnr. 837 ff.; BGH NJW-RR 2007, 1182 ff.; WM 1983, 150 f.; WM 1991, 1880 ff.; vgl. entsprechend zu den Folgen der Löschung einer englischen Limited mit Vermögen in Deutschland Thüringer OLG ZIP 2007, 1709[↩]
- vgl. Kindler a.a.O. Rdnr. 10 ff.; Krömker/Otte, BB 2008, 1964 ff.; Großfeld a.a.O. Rdnr. 911[↩]
- vgl. Großfeld a.a.O., Rdnr. 851 ff.[↩]
- vgl. Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 5 Rdnr. 7; BGH WM 1983, 150 f.; IPRspr.1986, Nr.206, 482; WM 2007, 859 f.[↩]
- vgl. Sternal in Keidel, FamFG, 18. Aufl., § 5 Rdnr. 5[↩]
- vgl. Großfeld a.a.O., Rdnr. 872; Krömker/Otte, a.a.O., S. 965; BGH WM 1985, 126 f.; WM 1983, 150 f.; WM 2007, 859 f.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 10.03.1986, II ARZ 1/86, Juris[↩]