§ 4 Nr. 28 UStG steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe „verwendet“ in § 4 Nr. 28 UStG und „bestimmt“ in der deutschen Fassung des Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG stellt keinen sachlichen Unterschied dar. Der Zweck des § 4 Nr. 28 UStG gebietet es, Veräußerungsumsätze steuerfrei zu behandeln, wenn der Abzug der Vorsteuer aus der Anschaffung der veräußerten Gegenstände ausgeschlossen war.

Zwar lagen in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hinsichtlich der medizinischen Geräte und der Altgeräte die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht vor, weil im Jahr 2004 ein steuerfreier Verkauf erfolgt ist und das Finanzamt insofern zu Recht einen unberechtigten Umsatzsteuerausweis gemäß § 14c UStG angenommen hat. Das Finanzgericht hat aber nach Ansicht des Bundesfinanzhofs zu Unrecht angenommen, dass auch hinsichtlich der Telefonanlage die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung nicht erfüllt sind. Der Bundesfinanzhof kann nicht durchentscheiden, weil im Hinblick auf die Telefonanlage nicht nur eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG vorzunehmen ist, sondern auch die steuerpflichtigen Umsätze der Unternehmerin durch die Nutzungsüberlassung an die Patienten der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Da die Feststellungen des Finanzgericht nicht ausreichen, um die Umsatzsteuer festsetzen zu können, sind die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.
Hinsichtlich des Verkaufs der medizinischen Geräte liegen die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht vor. Danach ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen, wenn sie bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse ändern. Eine Änderung der Verhältnisse liegt nach § 15a Abs. 4 UStG auch vor, wenn das noch verwendungsfähige Wirtschaftsgut vor Ablauf des Berichtigungszeitraums veräußert wird und dieser Umsatz anders zu beurteilen ist als die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebliche Verwendung.
An einer derartigen Änderung fehlt es hier.
Für die Versagung des Vorsteuerabzugs im Zeitpunkt der Anschaffung der medizinischen Geräte war maßgebend, dass die Unternehmerin diese zunächst zur Ausführung gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG steuerfreier Krankenhausumsätze zu verwenden beabsichtigte. Denn nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.
Das entspricht dem Unionsrecht, denn gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG ist der Steuerpflichtige befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden[1].
Der Verkauf der medizinischen Geräte hat zu keiner Änderung i.S. des § 15a Abs. 1 UStG geführt, weil die Veräußerung gemäß § 4 Nr. 28 UStG steuerfrei war und deshalb ebenso gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerausschluss führte wie die gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG steuerfreien Krankenhausumsätze.
Gemäß § 4 Nr. 28 UStG ist die Lieferung von Gegenständen u.a. dann steuerfrei, wenn der Unternehmer die gelieferten Gegenstände ausschließlich für eine nach § 4 Nrn. 8 bis 27 UStG steuerfreie Tätigkeit verwendet hat. So verhält es sich hier: Die Unternehmerin hat die medizinischen Geräte zunächst ausschließlich zur Ausführung gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG steuerfreier Umsätze verwendet.
Die Regelung verstößt nicht gegen Unionsrecht, sondern setzt Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (ab 1.01.2007: Art. 136 MwStSystRL) zutreffend um. Danach befreien die Mitgliedstaaten u.a. die Lieferungen von Gegenständen, die ausschließlich für eine auf Grund dieses Artikels oder des Art. 28 Abs. 3 Buchst. b von der Steuer befreite Tätigkeit bestimmt waren, wenn für diese Gegenstände kein Vorsteuerabzug vorgenommen werden konnte, von der Steuer.
Die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe „verwendet“ in § 4 Nr. 28 UStG und „bestimmt“ in der deutschen Fassung des Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG bedeutet keinen sachlichen Unterschied. Es liegen insoweit verschiedene Sprachfassungen vor. Während einige Sprachfassungen, wie z.B. die deutsche und die italienische, darauf abstellen, dass die Gegenstände zur Ausführung steuerfreier Umsätze „bestimmt“ waren, stellen andere, wie z.B. die englische, die niederländische, die spanische und die dänische Sprachfassung auf die „Verwendung“ ab.
Liegen unterschiedliche Sprachfassungen einer Unionsbestimmung vor, muss sie im Licht aller Sprachfassungen der Gemeinschaft einheitlich ausgelegt und angewandt werden[2]. Dabei ist grundsätzlich allen Sprachfassungen der gleiche Wert beizumessen[3]. Falls die Fassungen voneinander abweichen, ist die Bedeutung des betroffenen Ausdrucks nicht auf der Grundlage einer ausschließlich wörtlichen Auslegung zu ermitteln, sondern anhand von Sinn und Zweck der Regelung, zu der er gehört[4].
Der mit der Steuerbefreiung des Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG verfolgte Zweck besteht darin, eine Doppelbesteuerung zu verhindern, die dem Grundsatz der Steuerneutralität zuwiderliefe[5]. Der Sinn und Zweck des § 4 Nr. 28 UStG gebietet es deshalb, Veräußerungsumsätze steuerfrei zu behandeln, wenn der Abzug der Vorsteuer aus der Anschaffung der veräußerten Gegenstände nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen war[6]. Das war aus den o.g. Gründen der Fall. Darauf, ob die Unternehmerin möglicherweise bereits beim Erwerb der medizinischen Geräte deren späteren Verkauf beabsichtigte, kommt es nicht an.
Da der Verkauf steuerfrei war, hat der gesonderte Ausweis der Umsatzsteuer zu einer Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG geführt.
Dabei findet keine Prüfung anhand der Grundrechte aus Art. 3, Art. 12 und Art. 14 GG statt. Denn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) überprüft Unionsrecht nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, solange die Europäische Union einen wirksamen Schutz der Grundrechte, der dem vom Grundgesetz gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, generell gewährleistet. Das gilt auch für innerstaatliche Rechtsvorschriften, die -wie § 4 Nr. 28 UStG- zwingende Vorgaben einer Richtlinie in deutsches Recht umsetzen[7]. Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die Anwendung unionsrechtlich vollständig determinierter Bestimmungen des nationalen Rechts richten, sind grundsätzlich unzulässig[8].
Hinsichtlich der Telefonanlage liegt allerdings eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 1 UStG vor, weil die Unternehmerin diese im Zeitpunkt des Erwerbs zur Ausführung sowohl steuerfreier als auch steuerpflichtiger Umsätze zu verwenden beabsichtigte, während der Verkauf in vollem Umfang steuerpflichtig war.
Die Telefonanlage sollte im Zeitpunkt ihres Erwerbs zwar überwiegend im Rahmen der Ausführung steuerfreier Krankenhausumsätze, aber in geringem Umfang auch zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendet werden. Denn indem die Unternehmerin ihren Patienten die Nutzung der Telefonanlage gegen Entgelt eingeräumt hat, hat sie keine mit den steuerbefreiten Krankenhausumsätzen „eng verbundene Umsätze“ i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ausgeführt, weil die Telefonnutzung zur Erreichung der therapeutischen Ziele nicht unerlässlich ist. Dienstleistungen, die lediglich den Komfort und das Wohlbefinden der Krankenhauspatienten verbessern sollen, fallen in der Regel nicht unter die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene Steuerbefreiung[9]. Der Vorsteuerabzug wäre deshalb im Jahr der Anschaffung 2003 gemäß § 15 Abs. 4 UStG anteilig zu gewähren und die erzielten Umsätze wären der Umsatzsteuer zu unterwerfen gewesen.
Der Verkauf der Telefonanlage im Jahr 2004 war demgegenüber in vollem Umfang steuerpflichtig. Es lag insoweit keine Steuerbefreiung eines mit den Krankenhausumsätzen i.S. des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG „eng verbundenen“ Umsatzes vor[10]. Anders als bei den medizinischen Geräten greift auch die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 28 UStG nicht ein, weil die Unternehmerin die Telefonanlage aus den dargelegten Gründen nicht ausschließlich für ihre nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG steuerfreie Tätigkeit verwendet hat.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. September 2016 – V R 43/15
- vgl. auch BFH, Urteil vom 13.01.2011 – V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, Rz 20[↩]
- EuGH, Urteile Velvet & Steel Immobilien vom 19.04.2007 – C-455/05, EU:C:2007:232, Rz 16; Jyske Finans vom 08.12 2005 – C-280/04, EU:C:2005:753, Rz 31; Rockfon vom 07.12 1995 – C-449/93, EU:C:1995:420, Rz 28[↩]
- EuGH, Urteile Kingscrest Associates und Montecello vom 26.05.2005 – C-498/03, EU:C:2005:322, Rz 26; EMU Tabac u.a vom 02.04.1998 – C-296/95, EU:C:1998:152, Rz 36; Institute of The Motor Industry vom 12.11.1998 – C-149/97, EU:C:1998:536, Rz 16; vgl. auch BFH, Beschluss -EuGH-Vorlage- vom 22.07.2010 – V R 19/09, BFHE 231, 280, BStBl II 2010, 1090, Rz 28[↩]
- EuGH, Urteile Lietuvos geležinkeliai AB vom 19.07.2012, – C-250/11, EU:C:2012:496, Rz 34; Plato Plastik Robert Frank vom 29.04.2004 – C-341/01, EU:C:2004:254, Rz 64; Velvet & Steel Immobilien, EU:C:2007:232, Rz 20; SDC vom 05.06.1997 – C-2/95, EU:C:1997:278, Rz 22; Fonden Marselisborg Lystbådehavn vom 03.03.2005 – C-428/02, EU:C:2005:126, Rz 42, und Jyske Finans, EU:C:2005:753, Rz 31[↩]
- EuGH, Urteil Swiss Re Germany Holding vom 22.10.2009 – C-242/08, EU:C:2009:647, Rz 63[↩]
- BFH, Urteil vom 24.04.2013 – XI R 9/11, BFH/NV 2013, 1457, Rz 23[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 22.07.2015 – V R 23/14, BFHE 250, 559, BStBl II 2015, 914, Rz 25[↩]
- BVerfG, Beschlüsse vom 19.07.2011 1 BvR 1916/09, BVerfGE 129, 78, 90; vom 07.06.2000 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147 f.; vom 22.10.1986 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339; BVerfG, Urteil vom 02.03.2010 1 BvR 256, 263, 586/08, BVerfGE 125, 260[↩]
- EuGH, Urteil Ygeia vom 01.12 2005 – C-394/04 und – C-395/04, EU:C:2005:734, Rz 25, 29[↩]
- EuGH, Urteil Ygeia, EU:C:2005:734, Rz 25[↩]